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Azimuth

Azimuth beim Tonarm

Azimuth beim Tonarm

Der Begriff Azimuth beim Tonarm steht für den „rechten Winkel“, in dem ein Tonabnehmer zur Schallplattenoberfläche stehen sollte, wenn wir uns die Headshell von vorne betrachten.

Azimuth

Die korrekte Azimuth-Einstellung ist aber ein viel tiefer greifendes Thema, als es die Skizze erkennen lässt.

Sind sowohl Laufwerk,Tonarm als auch Tonabnehmer absolut präzise angefertigt worden, bedarf es eigentlich keiner Möglichkeit zur Azimuthverstellung. Jedes beteiligte Bauteil sollte im Lot, bzw. im Wasser stehen und jede Diskussion über falsch oder richtig damit überflüssig sein.

Doch was kann hier nicht alles passieren!?

Laufwerk

Hier lautet die entscheidende Frage, ob das Chassis an der Stelle, an der die Tonarmbasis montiert ist, parallel zur Plattentelleroberfläche verläuft. Und das ist nicht so selbstverständlich wie es einem auf den ersten Blick erscheinen mag!

Sind Tonarm und Plattenteller-Lager auf dem gleichen „Brett“ montiert, sollte man davon ausgehen können, dass sie parallel zueinander stehen.
Aber ist der Plattenteller auch wirklich „flach“ oder ist er ein wenig „schüsselförmig“?

Manche Plattenteller werden mit einer kleinen Erhöhung am Rand versehen. Meistens gehört nun ein Plattengewicht dazu. Legt man die Platte ohne Gewicht auf den Teller, liegt sie lediglich außen am Rand auf dieser Erhöhung auf und man kann bei einer leicht verwellten Platte erkennen, dass hier und da eine Lücke zwischen Rand und Platte besteht.
Kommt nun das Gewicht zum Einsatz, wird die Schallplatte rundherum gegen diesen Rand gedrückt und liegt nun überall fest an. Schneiden wir aber diese Konstruktion gedanklich in der Mitte durch, werden wir feststellen, dass sich die Platte im äußeren Bereich nach oben biegt und dadurch eine leichte Schüsselform angenommen hat.

Andere Plattenteller (z.B. bei früheren Audio Exclusive-Granitlaufwerken) sind komplett schüsselförmig gearbeitet – bis zur Lagermitte hin.
Eine weitere durchaus interessante Variante bot und bietet uns VPI. Hier ist der Plattenteller plan. Um die Mittelachse herum liegt jedoch eine Gummischeibe. Legt man nun eine Schallplatte auf, liegt sie vollständig „hohl“ zum Plattenteller hin und wackelt auf der kleinen Gummischeibe hin und her.
Die Mittelachse hat jedoch ein Außengewinde, dazu gehört ein Puck und eine runde Rändelmutter aus Kunststoff. Dieser Puck ist an der Unterseite schüsselförmig ausgeführt. Wenn wir den Puck auflegen und ihn mit der Kunststoffmutter anziehen, drückt er nur mit seinem äußeren Rand auf die Schallplatte und zwingt sie so zunächst ebenfalls in eine Schüsselform nach unten. Dadurch legt sich selbst eine verwellte Platte außen glatt auf den Plattenteller. Wenn wir den Puck nun weiter anschrauben, bekommt die Schallplatte über eine immer größer werdende Fläche Kontakt zum Plattenteller und liegt dann wieder plan und waagerecht.

Mit einer alten Schallplatte können wir das gut kontrollieren, indem wir immer wieder mit unserem Fingernagel oder einem kleinen Gegenstand auf die Platte klopfen. Klingt es hohl, müssen wir den Puck noch fester anziehen. Erst wenn die gesamte Fläche mit der Musikinformation fest auf dem Plattenteller aufliegt, haben wir das korrekte Drehmoment erreicht. Sobald wir gelernt haben, wie fest wir den Puck anziehen müssen, können wir das auch mit unseren guten Schallplatten machen.

Und wenn der ganze Plattenteller schief steht?

Doch was nutzt die beste Plattenteller-Konstruktion, wenn der Plattenteller nicht parallel zum Chassis steht?
Es gibt da zum Beispiel ein Laufwerk, dessen Holz-Chassis einen „Schnitt“ verpasst bekommen hat. Dieser Schnitt verläuft um das Plattentellerlager herum und soll dazu dienen, die Resonanzen des Lagers und die im Tonarm nicht zueinander finden zu lassen.
Zum einen widerspricht es damit meiner persönlichen Theorie des Resonanzkreislaufs (habe ich an anderer Stelle bereits erläutert) zum anderen passiert aber nach einiger Zeit folgendes:

Diese „Halbinsel“, auf der der Plattenteller samt Lager montiert ist, sackt nach unten ab. Damit steht sie nicht mehr parallel zum Chassis und zur Tonarmbasis. Wie wir dieses Laufwerk auch justieren, entweder steht der Plattenteller im Wasser oder die Tonarmbasis. Beides geht nicht!

Plattenteller-schief
Plattenteller-schief

Schief stehender Plattenteller und mögliche Ursache

In all diesen Fällen und sicher gibt es da noch einige Gründe für einen schief stehenden Teller mehr, kommen wir nicht umhin, den Azimuth an die Plattenoberfläche anzupassen.

Tonarm

Wird ein Tonarm ohne Azimuth-Verstellmöglichkeit ausgeliefert, der nicht korrekt im Lager sitzt, können wir lange nach einer Abhilfe suchen – eine praktikable Lösung werden wir nicht finden.

Aber auch die Basis, also die Stelle, an der der Tonarm montiert ist, kann ein wenig schief stehen. Manchmal ruht der Arm auf einem „Ausläufer“, der nicht ganz parallel zur Plattenoberfläche verläuft. Bevor wir so eine schiefe Basis mit der Azimuth-Einstellung auszugleichen versuchen, sollten wir aber zunächst prüfen, ob sich die Basis nicht richten lässt, denn jede eigentlich unnötige Azimuth-Abweichung löst nur neue Probleme aus.

Tonabnehmer

Hier gibt es gleich mehrere Stellen, an denen möglicherweise nicht ganz korrekt gearbeitet worden sein kann. Die offensichtlichste Möglichkeit ist, dass der winzig kleine Diamant nicht ganz senkrecht eingebaut worden ist. Die nächste Ungenauigkeit kann sich bei der Fixierung des Nadelträgers ergeben haben.
Aber auch das gesamte „Innengebilde“ aus Nadelträger, Spulen und Magneten kann in sich „schief“ eingebaut worden sein. Jeder, der schon mal mit Magneten „gespielt“ hat, der weiß, dass sie nicht ganz einfach zu handeln sind.

Und dann gibt es noch eine ganz einfach Erklärung für einen optisch „schiefen“ Tonabnehmer:
Weil sich der Hersteller an seine Messergebnisse gehalten und den Tonabnehmer optimiert hat.

Messung über Optik?

Es gibt keine zwei absolut identische Magnete und auch keine zwei absolut identische Spulen. Ganz sicher haben sie alle eng gesteckte Toleranzen einzuhalten, aber völlig identisch sind sie nie.
Mit unseren Augen können wir solche Unterschiede nicht erkennen, auch nicht unter dem Mikroskop. Aber es gibt Messgeräte, die uns viel verraten können.

Doch was genau ist das Ziel solcher Messungen?

Nehmen wir als Beispiel die Endjustage eines MC-Systems.
MC steht hier für Moving-Coil, also für „bewegte Spule“. Dies bedeutet, dass sich auf dem Nadelträger Spulen befinden. Gleitet der Diamant durch die Rille, bewegt sich der Nadelträger und damit bewegen sich die Spulen. Da sich die Spulen innerhalb eines Magnetfeldes befinden, wird eine elektrische Spannung erzeugt.

Das erste Ziel …
eines Tonabnehmer-Entwicklers lautet, eine möglichst hohe Ausgangsspannung zu erhalten. Dies gelingt nur an der Stelle, an der das Magnetfeld am stärksten ist. Er wird also bei der Justage des Nadelträgers versuchen, den Lagerpunkt an der richtigen Position innerhalb des Magnetfeldes zu fixieren.

Das zweite Ziel …
ist, für beide Kanäle den gleichen Pegel zu erreichen. Es ist nicht akzeptabel, wenn ein Kanal lauter ist als der andere.

Das dritte Ziel …
ist die Verhinderung des „Übersprechens“, also die Optimierung der Kanaltrennung.
Was im linken Kanal zu hören ist, das soll auch im linken Kanal bleiben. Ebenso sind unsere Ansprüche an den rechten Kanal.

Es ist leicht zu erkennen, dass die Messergebnisse möglicherweise gegensätzliche Optimierungsmaßnahmen einfordern, die den Hersteller zwingen können, sich entscheiden zu müssen.
Solange er nur das „Opfer“ bringen muss, dass der Nadelträger am Ende ein wenig schief aussieht, wird er es gerne bringen. Händler und Kunden müssen ihm da aber schon ziemlich vertrauen, oder?

Sie werden jetzt vielleicht eine Vorstellung davon bekommen haben, wieso es so große Preisunterschiede bei den Tonabnehmern gibt.

Das untere Ende der Fahnenstange bildet die Bulk-Ware, also Blister-Verpackungen, auf denen 50 oder 100 Tonabnehmer zu finden sind. Die Endkontrolle findet hier beim Kunden statt. Dies bedeutet, dass der Hersteller möglicherweise gar nicht weiß, ob er etwas Funktionierendes oder Ausschuss produziert hat. Der Händler kauft eine “Liefereinheit” und der Preis dafür ist so kalkuliert, dass er einen großen Teil der Ware einfach wegschmeißen kann.

Stellt der Endverbraucher nach dem Kauf fest, dass der Tonabnehmer nicht oder nicht richtig funktioniert, bekommt er eben ein anderes. Wenn er es denn merkt. Ob er ein richtig gut funktionierendes System erworben hat oder eines, das eben geradeso funktioniert, ist Zufall – so wie beim Losekaufen. Die meisten Lose sind Nieten, man kann aber auch Glück haben.

Die zweite Stufe bilden die Tonabnehmer, die einzeln verpackt angeboten werden. Hier ist i.d.R. sichergestellt, dass sie auf ihre Funktion hin geprüft worden sind.

Noch besser sind dann die Tonabnehmer, bei denen die Einhaltung bestimmter Mindestwerte zugesagt wird. Oftmals liegen diesen Systemen auch die Mess-Schriebe bei.

Wenn Sie sich jetzt fragen, was denn mit den Tonabnehmern geschieht, die bei der Prüfung durchfallen, dann gehen Sie doch einfach noch einmal ein paar Zeilen zurück und lesen Sie bei „Die zweite Stufe …“ weiter. 🙂

Die vierte Stufe wird dann von den Tonabnehmern gebildet, die so entwickelt und angefertigt worden sind, dass sie ganz besondere Messwerte erreichen.

Sind also die Messwerte das A&O eines Tonabnehmers?

Im Prinzip schon.

Immer wieder wird es einen Tonabnehmer mit schlechten Messwerten geben, der doch einen ganz individuellen Reiz besitzt. Aber das ist dann so wie die Fotos einer Lochbild- oder Lomo-Kamera.

Irgendwie faszinierend, aber qualitativ doch völlig daneben.

Leider muss man aber auch sagen, dass selbst die allerbesten Messwerte kein Versprechen für einen tollen Klang sind. So einen teuren Tonabnehmer, den sollte man sich deshalb unbedingt ganz bewusst und sorgfältig auswählen und nur bei dem zugreifen, der den eigenen Geschmack am besten trifft.

Fassen wir zusammen:
Eigentlich sollte von Haus aus alles „im Lot“ und eine Korrektur durch Schiefstellen der Headshell indiskutabel sein. Allerdings gibt es konstruktive Gründe, durch die eine Azimuth-Justage unverzichtbar werden kann.

Dann gibt es noch Fehlstellungen durch eine ungenaue Herstellung und am Ende gibt es eine optische Fehlstellung, durch die aber die maximale Leistung des Tonabnehmers erst gewährleistet wird.

Solche Dinge wie schiefe Plattenteller oder Tonarmbasen können wir ja noch mit dem bloßen Auge erkennen und was dagegen tun, aber wie finde ich denn heraus, ob mein Tonabnehmer aus Versehen oder absichtlich schief hergestellt worden ist?

Hier müssen wir folgende Varianten unterscheiden:

Schiefer Diamant
Ich kenne keinen Tonabnehmer-Hersteller, der seine Diamanten absichtlich schief einbaut, um noch bessere Messwerte zu erhalten. Diamanten werden nicht einzeln, sondern bereits auf dem Nadelträger fertig montiert geordert.

Wer als Hersteller einen Nadelträger mit schief montiertem Diamanten akzeptiert, der hat gar nicht vor, den weltbesten Tonabnehmer zu produzieren.
Die Frage ist ja auch, ob die Nadel schief montiert worden ist, oder ob nicht eher der Hersteller den Nadelträger leicht verdreht montiert hat.
So oder so: Ein System mit schief sitzendem Diamanten gehört vom Endverbraucher nicht „ausgeglichen“ sondern reklamiert!

Schiefer Nadelträger bei Serien-Produkten
Es liegt ein Produktionsfehler vor und das System sollte sofort wieder zurückgeben werden.

Schiefer Nadelträger bei hochwertigen Einzel-Produkten
In diesem Fall sollten wir davon ausgehen, dass die Schiefstellung das Ergebnis einer peniblen Justage ist, auch wenn das jetzt ziemlich dreist wirken mag. Um hierfür eine Bestätigung zu erhalten, sollten wir das System beim Händler durchmessen lassen oder es selbst durchmessen.

Vorsicht vor Sonderangeboten bei Tonabnehmern!

Einerseits ist es natürlich ganz toll, wenn man bei einem teuren Tonabnehmer ein paar Hundert Euro sparen kann und zum Beispiel statt 800,- € nur 500,- € bezahlt hat. Wenn man aber 500,- € für einen Tonabnehmer bezahlt hat, der bereits reklamiert wurde und keine 200,- € Wert ist, dann stimmt das mit der Sparerei nicht mehr so ganz, oder?

Bitte merken:
Wenn ein 800,- €-Tonabnehmer reklamiert werden durfte, dann ist er defekt und selbst ein intaktes 200,- Euro-System klingt im Vergleich deutlich besser!
Könnte man ihn einfach instandsetzen, hätte der Hersteller das schon selbst veranlasst. So ein System klingt nicht gut und im schlimmsten Fall machen Sie sich mit ihm Ihre schönen Platten kaputt!

Am sichersten ist es, Sie kaufen einen Tonabnehmer vor Ort bei einem kompetenten Händler, bei dem der Einbau zum Service dazugehört. Und wenn es irgendwie geht, dann sollte auch eine Messung zum Service dazugehören.

Wieso Händler äußerst ungern messen

Jedes Messergebnis ist ein Resultat aus der Kombination Laufwerk-Tonarm-Tonabnehmer. Der allerbeste Tonabnehmer kann in einem nicht optimal passenden Tonarm keine „Wundermesswerte“ erreichen. Will der Kunde mit diesem Arm aber unbedingt genau diesen einen “Traum-Tonabnehmer kaufen, dann liegt es nicht im Interesse des Händlers, ihm durch entsprechende Messungen zu beweisen, dass das in diesem Fall Unsinn ist.

Kann man Tonabnehmer selber messen?

Grundsätzlich können Sie alle Messgeräte des Marktes auch als Endverbraucher erwerben. Es gibt da keine, die dem Fachhandel vorbehalten sind. Aus Kostengründen werden Sie als Kunde aber wohl darauf verzichten wollen.

Preisgünstig sind Mess-Schallplatten, die der Markt immer noch anbietet und mit denen man die wichtigsten Einstellungen ganz gut nach Gehör beurteilen kann.

Ein Zwischending ist die Software des Herrn Dr. Feickert. Wer häufiger selbst Tonabnehmer justiert und den Händlern an seinem Wohnort nicht vertraut, ist damit gut gerüstet. Hierbei werden fünf verschiedene Headshell-Stellungen durchgemessen (-2°, -1°, 0°, +1°, +2°), um aus allen fünf Messkurven die optimale Azimuth-Einstellung erkennen zu können.

Eine solche Messung ist ideal  – ja fast schon genial — da sie wirklich alle Parameter des Laufwerks, des Tonarms und des Tonabnehmers im Zusammenspiel berücksichtigt – und zwar nicht theoretisch, sondern praktisch!
Für einen Händler ist auch diese Software ein „zweischneidiges Schwert“, denn kaum ein Kunde wird sich darüber freuen, einen optimal justierten – aber schief stehenden Tonabnehmer ausgehändigt zu bekommen, oder?

Sie sollten jetzt in der Lage sein, die Bemühungen des Händlers zu verstehen und in einem Gespräch mit ihm herausfinden können, was tatsächlich hinter seiner “schiefen Azimuth-Einstellung”  stecken könnte.

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