MQA, doch nicht das Klangparadies
“Jetzt müsste man Mäuschen spielen dürfen …”
Es bewegt sich gerade sehr viel rund um das Thema MQA — leider hinter verschlossenen Türen.
Der Schock der Woche:
Die Brüder Frank und Lothar Kerestedjian aus Berlin haben die Tore in ihrem Portal highresaudio.com für MQA erst einmal wieder geschlossen. Das öffentliche Statement hierzu wurde allerdings nach kurzer Zeit wieder von der Seite genommen.
Nun können wir Mutmaßungen anstellen und dabei unserer Phantasie freien Lauf lassen.
Kurzzeitig war zu lesen, dass man die Qualität einer MQA-Datei bei highresaudio.com subjektiv als „nicht besser“, ja sogar als „schlechter“ bewertet, dass MQA nicht verlustfrei arbeitet und noch dazu jede Möglichkeit fehlt, MQA zu messen oder überhaupt auch nur zu belegen.
highresaudio.com führt seit jeher umfangreiche Messungen durch, um weder irgendwelche Mogelpackungen einzukaufen, noch an seine Kunden weiter zu reichen.
Da war es nur eine logische Folge, dass man keine MQA-Dateien anbieten will, die vielleicht gar keine MQA-Dateien sind. Zumal das ja auch unter Umständen erhebliche rechtliche und damit finanzielle Folgen nach sich ziehen könnte.
Dennoch, die Entscheidung bei highresaudio.com gegen MQA ist schon ein heftiger Tritt zwischen die Beine des Unternehmens.
Allerdings kann man auch das Auftreten von MQA derzeit nur als ziemlich provokant und fast schon überheblich bezeichnen.
Hier mal eine Metapher, um das zu erläutern:
Seit der „Erfindung“ von digitalen Sensoren für Fotokameras werden diese fortlaufend verbessert.
MQA stellt sich nun her und behauptet im übertragenen Sinn: „Alle bisherigen Sensoren arbeiten fehlerhaft! Aber durch unser MQA-Verfahren erhalten wir zum ersten mal natürlich wirkende Bilder!
Und das erreicht man bei der kamerainternen Umwandlung vom RAW-Format zum JPEG.
Das allerdings funktioniert nur mit neuen Sensoren.
Nämlich solchen, die eine MQA-Lizenz besitzen.
Und deshalb kann man das Wandeln auch nicht mehr länger Lightroom und Co. erlauben!
Es sei denn, die erwerben die MQA-Lizenzen und sind auf Computern installiert, deren Prozessoren und Chips allesamt eine MQA-Lizenz besitzen.
Eine 100,- €-Einsteiger-Kamera mit MQA liefert laut MQA ab sofort bessere Bilder als das Profi-Flaggschiff ohne MQA!
Na, da ist es ja nur gut, dass man das Profi-Flaggschiff ganz bestimmt auch bald in der MQA-Version kaufen kann.
Damit auch deren Bilder dann “natürlicher” aussehen.
MQA = Des Kaisers neue Kleider?
Wieder zurück in der HiFi-Welt heißt das, dass sich weder die Auflösung noch die Abtastrate durch MQA verbessern. Alles, was man uns verrät ist, dass man bei MQA eine andere Filtereinstellung wählt.
Eine Einstellung, die die bisherigen Wandler-Chips angeblich überhaupt nicht beherrschen, weshalb man neue braucht.
Daran melden einige Fachleute arge Zweifel an.
Genau deshalb fordern sie, dass man bei MQA jetzt mal endlich die Dollarzeichen aus den Augen nimmt und stattdessen den Chip- und Geräteherstellern diese Filtereinstellung offen legen soll, damit diese dann neben „Präzise“, „Sanft“ oder „Balance“ zukünftig eben auch die anwählbare Einstellung „MQA“ integrieren können. Um so dem Besitzer selbst die Entscheidung zu überlassen, ob er es als besser oder schlechter empfindet und nutzen will oder nicht.
Ob das so technisch möglich wäre – vermag ich nicht zu sagen.
Ich weiß nur, dass es aus meiner Sicht eine faire Vorgehensweise wäre.
Aber MQA verweigert ja sogar Herstellern die Lizenz, die eine MQA-De-Kodierung im Streaming-Client vornehmen, wodurch dann jeder x-beliebige DAC die MQA-Dateien wandeln und wiedergeben könnte. (siehe: http://support.auralic.com/hc/de/articles/222512427-Wird-AURALiC-in-Zukunft-MQA-unterstützen- )
Heißt das nicht einfach, dass jeder (!!!) auf dem Markt befindliche DAC MQA-Dateien wandeln kann, wenn man ihm nur vorweg einen MQA-Dekodierer spendiert?
Diese Möglichkeit aber durch Lizenz-Verweigerung zu verhindern kann doch nur einen einzigen Zweck verfolgen:
Man will Geld verdienen und allein deshalb die Verbraucher dazu zwingen, sich neue Geräte kaufen zu müssen, die sie sich tatsächlich überhaupt nicht kaufen müssten.
Und das ist ja auch das stärkste Argument, mit dem man die Geräte-Hersteller auf seine Seite holen will: Geld! Viel Geld!
Selbst die HiFi-Redaktionen dieser Welt stellen sich ja schon auf eine Unmenge neuer Tests ein und sind ihrerseits natürlich ebenfalls von MQA begeistert. Jedenfalls die Redaktionen, die kommerziell ausgerichtet sind.
Einfach auf MQA upgraden?
Viele Gerätehersteller setzen schon lange auf eine Upgrade-Fähigkeit ihrer Hardware. Neue Filtereinstellungen wären also ohne Neukauf und ohne ein aktives Eingreifen „automatisch über Nacht“ zu integrieren. Doch mit MQA geht das angeblich nicht! Man braucht zwingend neue Hardware. Sowohl im Tonstudio als auch zuhause.
So eine – mit MQA-LED!
Erst wenn sie leuchtet – ist Weihnach – äh Quatsch – hören wir Musik in Vollendung.
Alle Entscheidungen der Musik-Industrie und Hardware-Hersteller beruhen – das vermute ich – auf der Angst, einen wichtigen Zeitpunkt und eine riesige Chance zu verpassen. Man integriert deshalb vorsichtshalber MQA und man will diese LED – aber man lehnt sich andererseits irgendwie auffallend wenig für MQA aus dem Fenster.
Ist das so wie das Gebet eines Ungläubigen im Sterbebett?
„… kann ja nicht schaden!“?
Aber will der Markt MQA überhaupt?
Wollen wir es?
Spätestens wenn wir uns mal mit Schätzungen befassen, muss man sich fragen, was denn eigentlich wirklich hinter MQA stecken könnte.
Ich sage jetzt einfach mal (vielleicht kennt ja jemand die echten Zahlen), dass 80% der Verbraucher in Europa mit MP3 gut zufrieden sind und nicht einmal ein Interesse an HighResAudio haben. Spotify und Co. machen ihre Arbeit gut und es macht Spaß damit Musik zu hören.
Von den restlichen 20% lehnen derzeit noch etwa 18% alles ab, was irgendwie mit Computer, Internet, Download oder Portalen zu tun hat. Man setzt nach wie vor auf die CD oder die LP – basta.
Bleiben 2%, die sich gerade mit dem Thema Streaming von HighResAudio-Dateien auseinander setzen oder bereits solche Geräte gekauft haben.
Und selbst wenn wir jetzt einmal davon ausgehen, dass alle (!!) Besitzer von Streaming-Komponenten sofort auf MQA umsteigen, sobald sie einmal hören konnten, dass es wirklich besser ist, dann reden wir immer noch von lediglich 2% des Marktes!
Und ich werde dreist und verdreifache diese Zahl nun einfach mal – lande damit also bei 6%.
Ohne jemals zu irgendeinem Weltkonzern gehört zu haben, kann ich doch vermuten, dass ein Manager, der für diese 6% große Beträge in die Hand nimmt und sich dabei auch noch von anderen abhängig macht, wohl morgen schon auf dem Arbeitsmarkt zu haben sein wird, oder?.
Also entweder haben Firmen wie Warner und Universal das MQA-Format zum „Anfüttern“ geschenkt bekommen, oder die wissen etwas, was wir noch nicht wissen.
Denn wie man es auch betrachtet – MQA ist nur dann kommerziell interessant, wenn man damit „in die Breite gehen“ kann. Die größte Überzeugungsarbeit dürfte dabei wohl diese „doofe“ (Entschuldigung) MQA-LED übernehmen müssen.
Mit der kann der Käufer wunderbar seinem Schwager signalisieren: “Jetzt wird es gleich richtig gut! Und mit Deinen Geräten ohne MQA-LED bist Du aber mal so richtig von gestern!”
So eine MQA-LED zieht „in der Breite“ ganz sicher. Und schon bald wird es sie vermutlich aus Fernost für alle Geräte nachzukaufen geben.
Nur eines passt dabei überhaupt nicht:
Diese „Breite“ hört MP3 und nicht HighResAudio!
Und die „Breite“ hört schon keinen Unterschied zwischen MP3 und CD!
Wie will man diesen Kunden denn ein angeblich noch besseres Format verkaufen als HighResAudio?
Nein, so wird das ganz bestimmt nichts mit der „Breite“ als Zielgruppe!
Der Hammer wäre deshalb, gäbe es MQA auch für MP3 und damit auch für unterwegs!
Eine MQA-MP3, die angeblich besser klingt als eine 24 Bit/192KHz-HighResAudio-Aufnahme! Geil!
Eine „Masterband-MQA-MP3“, bei der die MQA-LED an unserem Smartphone so hell leuchtet, dass alle anderen in der U-Bahn sie sehen können!
Zugegeben – das wäre wirklich etwas für die „Breite“ und das Weihnachtsgeschäft 2017 könnte kommen!
Uhps – hab ich MQA da gerade etwas vorweg genommen?
Oder auf eine Idee gebracht?
Wir werden es sehen.
Meine derzeitige Empfehlung zu MQA?
Nun, um es mit Anke Engelke zu halten: „Aufpassen!“ 🙂
Aber – wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es sicherlich, dass es mit MQA irgendwie doch funktionieren würde. Aus einem ganz einfachen Grund:
Zurzeit streamen wir zuhause in CD-Qualität (16 Bit, 44,1KHz). Schöner wäre es, wenn wir jede (!) Aufnahme in der besten zur Verfügung stehenden Qualität, also eben auch als 24Bit/192KHz streamen könnten, oder?
Alle Titel – und nicht nur die, die wir „gekauft“ haben.
Kaufen und Downloaden ist von gestern. Wir wollen streamen!
Und wenn mir da jetzt jemand sagen würde, dass die Datenmengen dafür zu groß wären und MQA hier helfen könnte – und dass dann auch alles wirklich besser klingen würde – und man so eine MQA-Datei auch testen könnte, damit man uns nicht anschmieren kann – und wenn sich MQA damit zufrieden geben würde, an so kleinen Dekodierern als Zusatzgeräte zu meiner bestehenden Hardware zu verdienen – ich also meinen Gerätepark behalten darf – dann wäre MQA durchaus auch etwas für mich.
Ja ja – ich hör ja schon auf zu träumen.