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Flügel

CD, Streaming oder Schallplatte – was klingt am besten?

Aktualisiert:  11.02.2023

CD, Streaming oder Schallplatte – was klingt am besten?

Im Beitrag „CD, Streaming oder Schallplatte – was klingt am besten?“ beschreibe ich meine Höreindrücke beim Vergleich dieser Formate und vielleicht helfe ich damit auch gleichzeitig die Frage zu beantworten, auf was man denn eigentlich achten muss, wenn man solche Hör-Vergleiche anstellen will.

Hinweis zur Aktualisierung:
Die bisherige Version war nicht mehr aktuell, da wir mittlerweile sehr viele neue Erkenntnisse im Hinblick auf die Komponenten und auch auf die Optimierung unserer Heimnetzwerke sammeln konnten.

Voraussetzung für einen Vergleich =  Die selbe Musik.

ECM hat seinen kompletten Katalog auch für die Streaming-Portale freigegeben.

Qobuz SQ
Qobuz-Grafik  MP3/CD/HRA

Aus meiner Sicht eine gute Entscheidung – für mehr Musik – für mehr Qualität – für mehr Anspruch.
Jetzt mag es Menschen geben, die mit dieser Aussage nicht viel anfangen können. Vielleicht, weil sie Jazz nicht sonderlich mögen.
Doch selbst der, der Jazz gar nicht mag und der, dem das Label ECM unbekannt ist – der wird vermutlich dennoch mindestens ein Album aus dessen Repertoire kennen und möglicherweise sogar selbst besitzen:

Keith Jarrett, „The Köln Concert“, 24. Januar 1975 in der Kölner Oper.

Keith_Jarrett_Koeln_Concert_Cover
Keith_Jarrett_Koeln_Concert_Cover

Es ist das meistverkaufte Album in der Geschichte dieses Jazz-Labels.

Auf Grund einer grandiosen Aufnahmeleistung eignet sich dieses Album vorzüglich zur Bewertung der Komponenten-Qualität. Keith Jarrett improvisiert etwa eine Stunde lang auf einem Bösendorfer Stutzflügel, der eigentlich nur für die Proben genutzt werden sollte.
Diesem Instrument entlockt er Töne, die mit einem „normalen“ Klavierspiel nicht viel gemein haben.
Ob Sie einfach nur grundsätzliche Dinge prüfen möchten („eiert“ mein Plattenspieler?) oder ob Sie etwas über die High-End-Fähigkeiten Ihrer Anlage erfahren wollen – mit diesem Album erhalten Sie mehr Antworten – als Sie Fragen hatten.

Wer sich für weitere Hintergrundinformationen interessiert, findet sie z.B. auf Wikipedia:

https://de.wikipedia.org/wiki/The_Köln_Concert

Zu den Formaten:

CD
Die Datei auf der CD liefert uns eine Auflösung von 16 Bit bei 44,1 kHz (Samplebreite zu Samplerate)

Streaming
Viele Dateien auf den Musik-Portalen bieten uns lediglich die gleichen Werte wie wir sie auf der CD finden.
High-Resolution-Audio-Dateien beglücken uns zumindest schon mal mit einer Samplebreite von 24 Bit. Die Samplerate reicht dabei von 44,1 kHz bis hinauf zu 192 kHz. Die meisten guten Aufnahmen liegen bei 96 kHz.

Zu den nachfolgenden Aussagen: Sie beziehen sich noch auf die bisherige Version, ich habe sie nicht neu geprüft.

Qobuz (24/96/2500Mbps)
Dieses Musik-Portal liefert mir die Jarrett-Aufnahme im 24 Bit, 96 kHz-FLAC-Format. Beim Streamen fließen etwa 2300 bis 2600 Megabit pro Sekunde (Mbps).
Mit einem Studio-Abo und einem geeigneten Streamer kann ich sie direkt in dieser Auflösung streamen, ohne noch etwas dafür zusätzlich bezahlen zu müssen.

Tidal (16/44.1/600 Kbps) und (24/96/1400Mbps, MQA)
Tidal bietet mir dieses Album gleich in zwei Versionen an.
Zum einen handelt es sich um die 16/44.1-er FLAC-Version und zum anderen um die MQA-Datei, die dann in 24/96 daher kommt.
Eine reine 24/96 FLAC (also ohne MQA) gibt es bei Tidal leider nicht. Eine niedrigere Streamingrate bei MQA resultiert daraus, dass diese Dateien komprimiert sind.

Hinweis zu den Dateien:
Einige „Strippenzieher“ (die Industrie) möchten uns aus finanziellem Interesse heraus gerne davon überzeugen, dass wir Menschen nicht in der Lage sind, einen Unterschied zwischen diesen Formaten zu hören.
„Es bedarf jahrelanger, professioneller Arbeit in einem Tonstudio, um …“ 
heißt es da immer wieder.
Ich sage:  Bullshit!
Jeder von uns kann das hören! Lassen Sie sich nicht länger für blöd und taub verkaufen!
Man muss es und man kann es lernen! Innerhalb von Minuten!
Es ist nicht die Fähigkeit zu hören – die uns Menschen unterscheidet.
Es ist das, was zwischen den Ohren, also in unserem Gehirn – passiert! Und das lässt sich schulen.

Nun zum Hörvergleich.

Den Unterschied zwischen LP und CD führen wir bereits seit Jahrzehnten vor.
Und ja – grundsätzlich ist die LP deutlich besser. Diese Aussage bezieht sich aber allein auf das Medium!
Wie gut diese LP bei Ihnen tatsächlich klingt – hängt logischerweise von Ihrem Plattenspieler ab.
Niemand sollte sich der Illusion hingeben, man könnte mit einem billigen Plattenspieler besser Musik hören als mit einem guten CD-Player. Die Artefakte und akustischen Effekte beim billigen Plattenspieler, die ihn so “natürlich und liebenswert erscheinen lassen”,  sind ein Ergebnis seiner Unzulänglichkeiten. Sie lassen sich genau so auch mit jeder digitalen Quelle erzeugen. Man braucht dafür nur einen billigen DSP (Digitalen Sound Prozessor).
Um die tatsächliche Qualität einer Schallplatte auch so hören zu können, dass sie sich einen klanglichen Vorsprung verschaffen kann, braucht es schon ein Equipment, für das man locker auch einen guten Gebrauchtwagen bekommen kann.

Wiedergabekette für den heutigen Test:

Ich wähle einen PrimeCore Audio® Roon-Core-Server als Quellgerät, angeschlossen an einen Progressive Audio DAC. Dahinter folgt ein A901 von Progressive Audio an einem Paar Pearl Diamant. Die Kabel stammen größtenteils von Furutech.

Ich schnappe mir mein iPAD, starte Roon Remote und suche Keith Jarretts Köln-Concert.

Zunächst auf Qobuz.  (24/96-er FLAC.)
Das Lachen der Zuschauer am Anfang der Aufnahme ist klar und deutlich zu hören und wird auch von der Raumpositionierung her glaubhaft dargestellt. Das Publikum lacht übrigens, weil Keith Jarrett sein Klavierspiel mit dem Pausenzeichen der Oper beginnt.
In der ersten Version hatte ich für diesen Bericht noch Auralic-Komponenten und die Lightning DS-Software genutzt. Das mache ich schon seit einigen Jahren nicht mehr.
Ich kann und will auf die Roon-Software nicht mehr verzichten und deshalb muss ich zwangsläufig auch einen Roon-Core-Server einsetzen.
Dieses Roon-System hat den Vorteil, dass ich für den Server einen NUC (Next Unit of Computing) nutzen  kann. Diese Lösung finden Sie sogar in Streamern für mehr als 40.000,- € – nur erzählt Ihnen der Hersteller das natürlich nicht.
Wie weit Sie dann klanglich “nach oben” kommen wollen, das können Sie mit dem nachfolgenden DAC (Digital-Analog-Converter) selbst bestimmen. Diese Teile gibt es ab etwa 30,- € und sie enden dann knapp über 100.000,- €. Wer hier viel Klang für wenig Geld sucht, der sollte sich unbedingt mal den Ideon Ayazi anhören!

Ergebnis des ersten Durchgangs:
Sowohl der Raum an sich als auch die Ortbarkeit und Fokussierbarkeit lassen keine Wünsche unerfüllt. Man hört, wo Keith Jarrett spielt, wie sich der Ton in dem Stutzflügel ausbreitet und man kann verfolgen, in was er sich da so urplötzlich bei diesem Instrument verliebt hat. Denn eigentlich hatte er sich ja geweigert auf diesem “Übungsklavier” zu spielen.
Man muss nur die Augen schließen und schon sitzt man mittendrin in dieser Oper.
Dies sind die Dinge, die ich an einer guten Wiedergabe so liebe.
Man kann zuhause immer und immer wieder ganz besondere Momente der Musikgeschichte abrufen.

Ich wechsle nach Tidal zur 16/44.1-er Version
Im ersten Moment glaube ich, dass mir das tonal besser gefällt. Es wirkt irgendwie runder, harmonischer, gefälliger.

A/B-Vergleiche

Genau das ist der Grund, weshalb A/B-Vergleiche nichts taugen. Beim schnellen Umschalten komme ich jedes mal wieder in eine neue Klangwelt – die erst einmal anders ist als die vorherige. Im Vergleich besser oder schlechter – aber eben nur im Vergleich. Verbleibe ich eine Weile in dieser Klangwelt, ändert sich das schnell. Was auf Anhieb gut war – ist später möglicherweise schlecht und umgekehrt. So etwas bekomme ich aber nur heraus, wenn ich eine Weile in einer dieser Klangwelten verbleibe.
Deshalb merken Sie sich bitte:  A/B-Vergleiche taugen nichts – sind keine Hilfe, sondern betrügen uns!

Auch hier ist es so. Sofort nach dem Umschalten hätte ich diese Wiedergabe als besser bezeichnet, doch dann entdecke ich Unsauberkeiten. Da, wo man gerade bei der Qobuz-Aufnahme wunderbar schnell gespielte Einzeltöne hören konnte, gibt es hier nur so ein verwaschenes “Gleiten”. Unserem Ohr mag das besser gefallen, aber die Spielfertigkeit des Künstlers geht verloren; sein Können wird hier nicht wiedergegeben.
Auch die Klangfarbe des Klaviers insgesamt ist dumpfer. Nein, eben nicht sonorer!
Und sie ist gleichzeitig nerviger, gar nicht mehr „schön“.
Dieser Bösendorfer klingt jetzt – nach einigen Minuten – eher plärrig und gleichzeitig lahm.
Eigentlich müsste diese Version doch zumindest besser klingen als die CD, aber in meiner Erinnerung hat mir dann doch die CD irgendwie besser gefallen. Glaube ich.
Ich merke mir: Lahm, verhangen, plärrig, lustlos, verwaschen.

Ich beende das hier jetzt und wechsle zur MQA-Version.

MQA
MQA

Zu MQA muss man folgendes wissen:
Zu Beginn haben die Macher von MQA geglaubt, sie hätten mit ihrem Lizenzierungsmodell eine Geld-Druck-Maschine erfunden. Aufnehmen und Abspielen, ohne an MQA zu bezahlen, wäre kaum noch möglich gewesen.
Dann wurde aber die Kritik immer unüberhörbarer und die Aussage „lossless“ (also verlustfrei) musste auch noch zurückgenommen werden.
Heute ist MQA aus meiner Sicht nur ein weiteres digitales Format und ob es die Musik verbessern und nicht nur verändern kann, das muss jeder für sich selbst herausfinden.

Ich starte die MQA-Datei.

Zweifelsfrei handelt es sich hier gerade um die druckvollste und voluminöseste Wiedergabe, die ich heute gehört habe.
Der Bösendorfer hat mindestens 20 Kilo mehr Holz aufgelegt und das Instrument ist um gut einen Meter gewachsen – in jede Richtung. Hier höre ich gerade definitiv keinen Stutzflügel mehr!
Das gefällt mir, irgendwie.
Was mir gar nicht gefällt sind die Artefakte in manchen lauten und hohen Tönen.
Alles, was Keiths linke Hand macht, gefällt mir wirklich gut, aber manche Töne, die seine rechte Hand erzeugt, die gefallen mir gar nicht.
Es wirkt, als würden manche Töne von einer Glaswand reflektiert, man kann das nicht richtig definieren, weil es so unsauber dargestellt wird.
So lange Keith diese Töne nicht spielt, gefällt mir die Wiedergabe ausgezeichnet – sie kommt in meiner Erinnerung dem analogen Klangbild sehr nahe – aber diese seltsamen Töne “oben herum” machen doch vieles kaputt.
Ich merke mir:  Hervorragend, fast analog, mit hohen Frequenzen offensichtlich überfordert.

Ich wechsle wieder zur Qobuz-Aufnahme.
Sofort ist das Instrument wieder kleiner, hat weniger Holz. Das ist vielleicht nicht schöner aber doch deutlich realistischer.
Dafür ist die Genauigkeit, die Schnelligkeit, die Perfektion, mit der Keith spielt, gleich wieder grandios.

Also gut – beginne ich eben hier den zweiten Durchgang und teste, wie ich mich wohl emotional in die Aufnahmen hineindenken kann.

Tidal mit MQA

Üblicherweise brauche ich so 3-4 Minuten, um mit diesem Titel zu „verschmelzen“.
Das will mir gerade nicht so richtig gelingen. Wie gesagt, die tieferen Töne gefallen mir ausgezeichnet gut. Der Mensch liebt tiefe, volle, sonore Töne und auch ich bin ein Mensch.

Aber das reicht nicht, um mich von den zum Teil fast schrecklich klingenden hohen Tönen abzulenken. Die sind einfach nicht sauber, überschlagen sich und wirken künstlich angehoben.
Ich frage mich die ganze Zeit, was das sein soll, was da gespielt wird und finde es nicht heraus.

Diese Töne wirken auf mich wie eine Film-Panne. Eine durchs Bild laufende Person, ein Mikro, das von oben ins Bild ragt oder ähnliches.  Die Szene ist kaputt.

Dann höre ich plötzlich (etwa bei 3:50) zwei Töne, die mir bis dahin noch nie aufgefallen waren. Hier hört man sie aber jetzt klar und deutlich-  wie zwei einzelne, absichtlich gespielte Töne. Zwei Töne aber, die irgendwie überhaupt nicht zu den gespielten Mustern passen wollen. Weder zu dem tiefen Muster noch zu dem hohen Thema. Sind dem Keith Jarrett da etwa zwei „Improvisations-Ausreisser“ unterlaufen?

Doch ich entdecke immer mehr dieser seltsamen Töne.

Es scheint auf einmal so, als spielte Keith Jarrett drei Themen parallel. Eines mit tiefen, eines mit hohen und ein drittes mit mittleren Tönen. Drei Themen, die zwar deutlich zu hören und voneinander zu trennen sind, was ja bedeuten würde, dass diese MQA-Datei „neue Klangwelten“ eröffnen würde, aber die drei Themen scheinen nicht zusammen zu gehören, keine Einheit zu bilden.

Ich beende den Durchgang etwa nach 6 Minuten und denke mir – irgendwie toll, was da jemand aus dieser Aufnahme gemacht hat. Und mit „gemacht“ meine ich, dass hier jemand Hand angelegt hat. Er hat die Aufnahme so verändert, dass sie mehr dem Geschmack des “Durchschnitts- Menschen” entspricht, ohne sie wirklich „schlechter” zu machen.
Aber irgendwie hat er sie trotzdem verhunzt.
Es ist wirklich seltsam.
Die MQA-Version ist mir  lieber als die 16/44.1-Version – zumindest bei Tidal – ganz sicher, aber ich frage mich gerade, ob ich mir die Platte damals gekauft hätte, wenn sie von Anfang an so geklungen hätte.
Und eigentlich möchte ich antworten: Ich hätte mir vermutlich beide Tidal-Versionen nicht gekauft.

Jetzt wechsle ich noch einmal zur Qobuz-Version.

Nach etwa drei Minuten bin ich mittendrin in diesem Stück.
Nun sitze ich direkt vor Keith Jarrett und dem Bösendorfer. Nein, nicht in der ersten Reihe – das Publikum sitzt nicht dort, wo ich sitze. Ich sitze dort, wo die beiden Neumann-Mikrofone gestanden haben und kann über das Klavier hinweg in das Publikum schauen.
Die hohen Töne sind rechts, die tiefen links – so wie der Pianist das erlebt. Nicht halbrechts und nicht halblinks – sondern rechts und links.

Jetzt muss gleich die Stelle mit diesen beiden nicht zuzuordnenden Tönen kommen – und sie kommt.
Aber die beiden Töne – genau wie alle anderen, die ich bei der MQA-Version als „seltsam“ empfunden habe, die höre ich und  – sie gehören da hin! Definitiv.
So wie hier, habe ich sie immer schon gehört. Ja, sicher kann man sie als drittes Thema bezeichnen – aber irgendwie auch wieder nicht. Hier bei der Qobuz-Version gibt es nicht wirklich drei Muster, sondern mehr tiefe, mittlere und hohe Töne, die aber alle zusammen eine Einheit bilden und zu einem zusammengehörigen Thema werden.
Deshalb gelingt es mir hier, mit Keith Jarrett Kontakt aufzunehmen und ich glaube, das zu spüren, was Keith Jarrett gespürt hat.
Sieben Minuten sind vergangen und ich könnte unendlich lange so weiter hören.

Was wird passieren, wenn ich jetzt die CD starte?

Ich mache es.
Angeschlossen ist der CD2 von Progressive Audio. Wenn der nicht in der Lage ist, die CD den High-Res-Audio-Dateien näher zu bringen, welcher Player soll es dann schaffen?
Ich starte die CD und –
das Ergebnis ist wenig überraschend.

Zwischen der Qobuz-Version und der CD liegen Klangwelten.
Die 16/44.1-Version auf Tidal liegt gleichauf.
Und das ist schon ein großes Lob!
Nur wenige CDs sind in der Lage, gegen ihre „Zwillingsbrüder“ aus den Streaming-Portalen zu bestehen.
Man muss nicht lange darüber nachdenken. Die CD ist ganz sicher der große Verlierer.

Die CD ist tot – nur fällt es uns schwer, das zuzugeben.
Angesichts mehrerer Hundert oder gar Tausend CDs, die wir besitzen.
Aber die Anzahl der gekauften CDs macht den Fehler auch nicht kleiner. Im Gegenteil.

Jetzt bin ich doch auf die LP gespannt.

Foto von Schallplatte bunt
Fotolia_66183659 © michalchm89

Zum Plattenspieler:
Ich verwende mein „Ein und Alles“:
Das Laufwerk ist ein Zarathustra S4 von Simon Yorke. Auf ihm thront ein Pluto Audio 7A-Prestige. Ein Tonarm-Traum aus massivem Titan mit einer Gold-Innenverkabelung von Deskadel. Der Tonabnehmer ist ein Jan Allaerts MC2 Finish-Gold. Allerdings jüngst von Aalt van den Hul mit einem neuen Diamanten versehen und ein klein wenig „gepimpt“.
Jan Allaerts wird das sicher nicht gefallen, aber wer dieses System in dieser Version einmal gehört hat, der merkt schnell, dass diese “Zusammenarbeit” durchaus fruchtbar gewesen ist. Das Phonokabel ist ein Silver Arrows von Furutech und als Phonoteil dient ein Stromverstärker von Progressive Audio. So ziemlich das Beste, was der Phonoteile-Markt derzeit zu bieten hat.

Der Tonarm senkt sich und die Musik beginnt zu spielen.
Was nun passiert – das kann man nicht erklären und nicht beschreiben.

Die MQA-Datei vermochte sich mit Volumen, Fülle und Körper an die Spitze zu setzen.

Flügel
Fotolia_72992691 © Thatiana Shepeleva

Hier und jetzt habe ich gerade den Eindruck, ich würde den Lack des Flügels sehen und könnte beobachten, wie sich das Publikum in ihm spiegelt.
Hier und jetzt höre ich nicht einfach nur “mehr Holz”, ich höre auch mehr Saiten, mehr Schwingungen, mehr Klangfarben, mehr Betonungen, mehr Spielarten, mehr Nuancen und mehr Unterschiede.
Keith Jarrett nimmt mich soeben zur Seite und zeigt mir, wie unterschiedlich man mit einem Finger auf eine Klaviertaste schlagen kann.

Jeder Tritt auf ein Pedal macht sich mit einem unüberhörbaren – ganz eigenen „Rumms“ bemerkbar und wird zu einem Teil des Klavierspielens. Man hört nicht nur einfach, dass Keith da auf ein Pedal getreten hat, man spürt jeden einzelnen „Rumms“ körperlich.

Aus einem Klavier-Schüler ist gerade ein grandioser Pianist geworden. Aus einem „Nachspielen“ wurde eine Improvisation aus dem Stehgreif. Diese Art zu spielen erzeugt in mir eine große Anerkennung, fast so eine Art Demut und Dankbarkeit.

Hören wir noch mal auf diese lauten, hohen Töne, die mich beim MQA-Format so gestört haben. Bei der Qobuz-Version klingen die sauber – wie die anderen Töne auch.
Auf der Schallplatte hören wir nun, dass Keith Jarrett hier das Instrument an seine Leistungsgrenzen bringt.
Es handelt sich um Töne, die anscheinend irgend eine Eigenresonanz des Bösendorfers treffen. Das darf eigentlich nicht sein, bei einem so teuren Instrument und man scheint die Ursache dafür hören zu können, wieso Keith Jarrett auf diesem Klavier eigentlich nicht spielen wollte, aber bei der analogen Wiedergabe muss man nicht lange rätseln, was da passiert ist.
Die MQA-Aufnahme wird für mich durch ihre eigene „Interpretation“ zerstört.

Im Vergleich zur Qobuz-Aufnahme stelle ich fest, dass sie nicht präziser, nicht schneller und nicht analytischer ist als die analoge Aufnahme. Ihr fehlt es aber im direkten Vergleich mit dem Jan Alaerts-Tonabnehmer an einer Art “wertiger Ausstrahlung”.

Je länger ich die Platte höre, umso nachdenklicher werde ich.
Werte – wir sprechen so gerne von Werten.
Was ich hier gerade höre, das gibt mir das Gefühl, etwas mit echtem Wert genießen zu dürfen.
Möglicherweise liegt es auch nur daran, dass ich bei einem Plattenspieler zuschauen kann, wie die Musik gelesen wird.

Es ist so wie mit dem Kaminfeuer.
Abends den Kamin anzuzünden, bei einem Glas Rotwein das Prasseln der Holzscheite zu hören und diese ganz eigene Art der Wärme zu spüren. Eine Wärme, die sich nicht so exakt steuern lässt wie ein Heizkörper mit einem Thermostat dran. Eine Wärme, die ein eigenes “Leben”, einen eigenen “Willen” zu haben scheint – das macht den Reiz eines Kaminfeuers aus. Und vielleicht unsere DNA, die sich an die Zeit erinnert, als es noch keine Alternative dazu gab.
Aber sind wir ehrlich: Die Wohnung wieder vollständig mit Feuer heizen zu müssen, das wollten wir doch auch nicht wieder, oder?

Und ich muss ja auch fair bleiben.

Erstens – höre ich hier gerade ein analoges System, was mal eben einen Kaufpreis von 37.000,- € Euro in den Ring schmeißt. Ein Plattenspieler, den ich bis zur kleinsten Schraube hin genau auf meinen Geschmack hin abgestimmt habe. Die Justage erfolgte ebenso nach meinem Wunsch exakt nach Stevenson und ich weiß, dass nicht alle Kunden mit diesem analogen System einverstanden wären.

Der Roon-Core-Server kostet schlappe 1.700,- € und im Zusammenspiel mit einem Ideon Ayazi DAC für 3.300,- € bin ich nur Millimeter entfernt von dem klanglichen Ergebnis meines Plattenspielers.
Und ich kann für mich eines mit Sicherheit sagen:
Ich kenne keinen Plattenspieler für 5.000,- €, der an die Klangqualität des Streaming-Systems heranreichen würde.
Aber –
einen Plattenspieler kann ich mir so zusammenstellen und justieren, dass er ganz individuell auf meinen Geschmack abgestimmt und mir dann möglicherweise lieber wäre.

Der Ehrgeiz packt mich. Kann ich die digitale Wiedergabe noch “pimpen”?

Klar – ich könnte jetzt auf einen Referenz-DAC für 27.000,- € wechseln, aber ich will es an einer anderen Stelle versuchen. Seit Monaten schon streame ich nicht mehr, ohne einen Re-Clocker einzusetzen.
Dieses Teil bringt aus meiner Sicht erst den eigentlichen Durchbruch.
Gerne vergleiche ich die Ergebnisse mit unserem Fernseher.
Schauen Sie sich mal ein Fußballspiel in SD-Qualität und dann in HD-Qualität an.
So lange wir nur SD kennen – ist alles in Ordnung. Haben wir auch nur ein einziges Spiel in HD gesehen, geht SD gar nicht mehr! Oder?
Und genau so ist das mit einem Re-Clocker. Und da ich gerade den Ideon Ayazi höre, greife ich auch einfach zum Re-Clocker von Ideon.
Und …
Habe das Gefühl, dass ich mir diesen ganzen Bericht hier hätte sparen können.
Was hier gerade läuft, das liegt klanglich über allem, was ich vorher hören konnte – auch über dem Plattenspieler.
Und eigentlich müsste ich den Bericht wieder von vorne beginnen.

Schlussbemerkung

Wir befinden uns mitten in einem Wandel.
Der Digitalismus eröffnet uns Musikliebhabern Möglichkeiten, von denen wir vor wenigen Jahren nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Die neuen High-Res-Audio-Dateien, die wir aus Portalen wie Qobuz, Tidal oder highresaudio.com streamen können, die öffnen uns die Pforten zur Welt der Musik. Und das mittlerweile in einer Klangqualität, die selbst Profis und Nörgler überzeugt.
Viele, die keinen sündhaft teuren Plattenspieler ihr Eigen nennen, werden die Qualität sogar höher einstufen als bei analog. Und man muss ihnen zustimmen.
MP3 ist ideal für das junge, moderne, mobile Hören. Analog ist immer noch das (!) Medium, für den Musikliebhaber mit sehr hohen Ansprüchen, der Wert darauf legt, etwas Individuelles zu besitzen, was er anpassen kann. Die CD ist unter die Räder geraten und niemand denkt daran, sie wiederbeleben zu wollen. Ganze Generationen besitzen schon keinen einzigen Silberling mehr.
Streaming ist das Format der Zukunft und Bauteile wie ein Re-Clocker zeigen uns, dass wir anscheinend noch nicht alle Stellschrauben gefunden haben, mit denen wir den digitalen Klang verbessern können.
Ich freue mich, diese spannende und interessante Zeit miterleben zu dürfen, freue mich über die vielen Schallplatten, die ich noch besitze und freue mich über die Möglichkeiten des Streamens.
Meinen CD-Bestand reduziere ich gerade von ehemals 8.000 Stück auf etwa 30 – die ich aus emotionalen Gründen nicht hergeben möchte.
Höre ich mich da gerade einen Silbermond-Song summen?  Eines Tages fällt dir auf, dass du 99% nicht brauchst …  🙂

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