Ist jeder gute PC auch ein guter Roon-Core-Server?
Ist jeder gute PC auch ein guter Roon-Core-Server?
Oder: Von der Schwierigkeit, einen geeigneten Roon-Core-Server zu finden.
Mit meinem Bericht “Ist jeder gute PC auch ein guter Roon-Core-Server?” möchte ich Sie teilhaben lassen, an unseren Bemühungen, eine Alternative zum PrimeMini zu finden. Ich wünsche Ihnen beim lesen viel Kurzweil.
Seit etwa zwei Jahren bietet Prime Computer hier in Deutschland den PrimeMini in einer speziell zusammengestellten Version als Roon-Core-Server an und das mit großem Erfolg.
Vom Ferienhaus mit in den Zimmern verteilten Sonos-Boxen bis hin zur 300.000,- €-Anlage beliefert der PrimeMini mittlerweile alle nur vorstellbaren HiFi-Konstellationen mit hochwertigen Musiksignalen.
ROHSTOFFMANGEL
Doch die Krisen dieser Welt verhindern zunehmend, dass Musikliebhaber an einen PrimeMini gelangen können, denn ohne passende Chips gibt es keine Intel-Mainboards und ohne Intel-Mainboards gibt es keine PrimeMinis.
Roon Labs schreibt eine Intel NUC-Plattform zwingend vor.
Nicht etwa für die Software „Roon“ selber, aber für das hauseigene Betriebssystem namens „ROCK“ (Roon-Optimized-Core-Kit).
Ein auf ein beliebiges, gewöhnliches Betriebssystem installiertes Roon funktioniert zwar genau so gut, kann aber die klanglichen Qualitäten eines reinen ROCK-Systems leider nicht erreichen.
Ein ROCK-Computer ist so etwas wie die Simplifizierung der Klang-Perfektion.
Michelangelo hat mal gesagt, dass es ganz einfach sei, eine Statue zu erschaffen. Man müsse ja nur alles vom Stein weghauen, was nicht nach Statue aussieht.
Und exakt diesem Motto ist auch Roon Labs bei der Dezimierung der Linux-Software gefolgt. Roon Labs hat einfach alles aus dem Betriebssystem entfernt, „was nicht nach ROCK aussah“. Das Ergebnis sorgt jedenfalls für eine erstaunlich gut klingende Musikwiedergabe.
„Was nicht da ist, kann nicht stören“, so lautet das ROCK-Motto und zielt damit auf alle Arten von Treibern und Diensten, mit denen Betriebssysteme üblicherweise vollgestopft werden. Ob wir sie nutzen oder nicht.
Und auch wenn es uns High-Endern nicht so richtig gefällt, so lässt ein PrimeMini auf Basis eines Intel NUC als Roon-Core-Server doch so manch teuren High-End-Edel-Streamer klanglich lange nicht so gut dastehen, wie sein hoher Preis das erwarten lassen sollte.
Doch was nutzt uns diese Lobhudelei, wenn Intel jetzt schon seit Monaten keine Mainboards mehr produzieren kann?
Irgendwann muss man einfach damit anfangen, sich die Frage zu stellen, ob ROCK nicht doch auch mit einem AMD-Mainboard funktionieren könnte.
Schließlich hat Prime Computer mit dem Modell „Pulsar“ ein echtes „AMD-Kraftpaket“ im Programm.
Wer dieses schwere, massive Prunkstück mal in der Hand gehalten hat, der wird verstehen können was ich damit meine, wenn ich sage, dass der Pulsar ein Computer für „echte Kerle“ ist. 🙂
Mit seiner umlaufenden blauen LED-Lichtleiste sieht er wahrlich aus wie „nicht von dieser Welt“. Science-Fiction-Fans werden ihre wahre Freude an diesem Design haben.
Und so hatte ich fast schon darauf gewartet, dass mir Prime Computer die Frage stellt:
Könnte der Pulsar eine Alternative zum Prime Mini sein?
Doch so eine Frage kann man nur beantworten, wenn man es ausprobiert. Und so einigten wir uns darauf, dass mir PRIME COMPUTER einen Pulsar zuschicken sollte.
Die erste Phase, in der er zu beweisen hatte, dass er zu den Ideologien der Marke Prime Computer passt, hatte er ja schon hinter sich gebracht.
Nachhaltigkeit, Wertbeständigkeit, Betriebssicherheit, Zuverlässigkeit … also alle Ziele, die den Pulsar zu einem echten Prime Computer werden lassen, waren längst mit positiven Ergebnissen geprüft worden.
Um aus ihm einen Roon-Core-Server entstehen zu lassen, musste jetzt aber noch mehr passieren.
Phase 1 – die passenden Bauteile
Aus den Erfahrungen mit den PrimeMini 4 und PrimeMini 5 wusste Prime Computer ja schon, welche Bauteile (RAM-Riegel, M.2-SSD …) für Roon besonders gut zu gebrauchen waren. Aber harmonieren die auch mit einem AMD-Board? Oder tun sich hier andere Modelle eher hervor?
Nach den ersten Tests im Schweizer Mutterhaus stand fest, dass der Verwendung der bewährten Bauteile nichts im Wege stand. Und so ging der erste Pulsar mit 2x 16GB RAM (Kingston) und mit einer Samsung 860 EVO auf den Weg nach Oberhausen. Da der AMD-Prozessor deutlich leistungsfähiger ist als der bisher im PrimeMini 5 i7 verbaute Intel-Prozessor, gingen wir davon aus, dass wir keine schnellere, also keine Pro-SSD benötigen würden.
Phase 2 – wir kriegen keinen Kontakt
Nichts geht – der Pulsar bekommt keinen Kontakt zum Netzwerk. ROCK läßt sich zwar problemlos von mir installieren, aber der Pulsar geht einfach nicht ins Netz. Was ich auch anstelle, die Treiber für die verbauten Ethernet-Schnittstellen sind in ROCK offensichtlich nicht vorhanden. Was für einen Roon-Core-Server natürlich keine gute Sache ist.
War das etwa schon das frühzeitige Aus für den Pulsar als Roon-Core-Server? Zum Glück hat Prime Computer eine brauchbare Lösung gefunden:
Ein Adapter von USB auf Ethernet.
Hierdurch werden andere Treiber angesprochen, die dann offensichtlich in ROCK vorhanden sind. Jedenfalls klappte das auf Anhieb.
Phase 3 – eine ziemlich müde Angelegenheit
Nachdem sich der Pulsar eine Zeit lang warm laufen durfte, höre ich mir die ersten Titel an und bin ziemlich enttäuscht. Rein von den technischen Daten her, steht der Pulsar zum PrimeMini wie ein Formel 1-Rennwagen zu einem BMW M3. Im Ergebnis aber zieht der M3 hier dem Rennwagen gerade auf und davon. Soll heißen:
Der Pulsar klingt kraft- und saftlos, müde und langweilig.
Mir ist klar, dass es HiFi-Entwickler gibt, die ein solches Klangbild als ganz besonders musikalisch, analog und harmonisch verkaufen würden und ja, auch mich fasziniert diese Ruhe und Schwärze im Hintergrund, aus der jeder Ton wie aus dem Nichts zu entstehen scheint.
Aber von „aus dem Nichts explodieren“ oder so, ist hier leider so gar nichts zu spüren.
Die Lösung:
Zwar liefert das Standard-Schalt-Netzteil satte 120 Watt, aber leider nur mit 12V. Damit gibt sich schon ein PrimeMini nicht zufrieden. Ich ziehe also testweise eine Strippe vom Keces P28 zum Pulsar und leite ihm 15V mit 10A zu. Natürlich sauberen und stabilen Strom aus einem ganz außergewöhnlichen Linear-Netzteil. Und wie beim PrimeMini wirkt auch der Pulsar mit einer höheren Spannung auf einmal wie aufgeweckt. Das macht so schon deutlich mehr Spaß.
Phase 4 – der Pulsar schließt auf, mehr aber auch nicht
Dem Pulsar gelingt es in dieser Konstellation, klanglich dicht auf einen PrimeMini 5/i7 aufzuschließen. Den PrimeMini 5/i7 Max habe ich da aber dann doch noch deutlich audiophiler in Erinnerung.
So ist das keine gute Sache, wenn etwas nur teurer, größer, schwerer ist aber nicht auch besser klingt.
Liegt es daran, dass ein PrimeMini eben ein „echtes“ Intel-Board in sich trägt und damit nun einmal besser zu Roon passt als eine AMD-bestückte Platine? Oder hätten wir am Ende doch die Pro-SSD einbauen sollen?
Prime Computer scheut keine Kosten und keinen Aufwand und schickt zwei Techniker zu mir.
Gemeinsam experimentieren wir mit verschiedenen Bauteilen und als die Beiden sich wieder von mir verabschieden, steckt tatsächlich die 970-Pro-SSD im entsprechenden Slot. Kenner werden jetzt gleich fragen: „Und wieso nicht die 980-Pro?“. Und damit sind wir wieder bei dem Thema, dass beim Musikhören nicht immer „tiefer, breiter, schwärzer“ gefragt ist, sondern dass man auch schon mal hinhören muss. Die 970-er ist zum Glück noch eine 2-Bit-Festplatte und das hat offensichtlich für die Musikwiedergabe eben doch klangliche Vorteile.
Phase 5 – „Formel 1“ liegt brutal an der Spitze
In dieser Ausstattung lässt der Pulsar keine Zweifel daran aufkommen, wer hier der Herr im Ring ist. Tiefe Bässe füllen mit einem nie gehörten Volumen meinen ganzen Raum. Eine nur zaghaft pulsierend getretene Basedrum pocht mir unentwegt gegen den Bauch. Gitarrensaiten erinnern an Sportgeräte. Ich „sehe“ wie der Schlagzeuger mit seinem Besen arbeitet. 3x HiHat, 3x Snarr, 3x Ride-Becken. Die beiden Frauenstimmen da halb rechts – bisher nie wahrgenommen.
Wann Nils Lofgren 2-er und wann er 3-er Akkorde zupft – hätte ich vorher nicht beantworten können.
Rechts, links, oben, unten, vorne und hinten – derart deutlich voneinander getrennt, hatte ich es bisher nicht erlebt. Eine Aufnahme wie „Der Dorftrottel“ von Ludwig Hirsch straft mich Lügen!
Im Hintergrund werden dort nicht die Streicher in einem „eigenen Raum“ nur links abgebildet (wie von mir mehrfach behauptet).
Mit dem Pulsar höre ich deutlich, dass die Aufnahme des vollständigen Orchesters „in einem Rutsch“ aufgenommen wurde. Zwar bleiben die Streicher da links, aber rechts hört man, wie der Hall der Geigen sich auch nach dort hin ausbreitet. Die Bläser, weitere Streicher, Flötisten, Celli … alle sind von Anfang an präsent. Setzen eben nur erst später ein.
Meine Hände werden feucht und ich glaube fast, etwas ganz Außergewöhnliches vor mir zu haben.
Dieser Pulsar ist ein echter „Klang-Knaller“.
So präsent, lebendig, dynamisch und zupackend, dass es mir mit manchen Titeln fast zu viel wird.
Phase 6 – ist die Musik weg?
Nach und nach kommen mir manche Stimmen unangenehm vor. Zu hart, zu fest, zu gepresst.
Ich höre eine Sängerin singen, aber ich höre sie nicht atmen. (Roberta Flack “The first time ever I saw your face)
Wenn eine Sängerin einen Ton hält, höre ich dann nicht realerweise den Ton und gleichzeitig auch, wie sie ausatmet? Der Pulsar lässt mich den Ton hören. Das Atmen nicht.
Das kommt mir komisch vor. Und ich denke darüber nach, was ich ändern kann.
Es ist wie bei einem Lautsprecher, dessen Basswiedergabe wir im Laden toll fanden, zuhause aber einfach nicht in den Griff bekommen. Weshalb wir damit beginnen, Dämpfungsmaterialien ins Zimmer zu integrieren. Auch beim Pulsar habe ich das Gefühl, dass ich ihn „ausbremsen“ muss. (Was übrigens mit der 980-Pro noch mal stärker wird)
Phase 7 – zurück auf 12 Volt?
Von Titel zu Titel bin ich mir sicherer, dass ich noch nie eine höhere Präzision gehört habe, als ich das gerade mit dem Pulsar erleben darf, noch nie wurde etwas so klar und deutlich abgebildet. Das wird durch den Wechsel zurück auf 12V nicht wirklich weniger. Allerdings stellt sich auch nicht die gewünschte Feinfühligkeit, Emotionalität wieder ein. Eher hört man nun, dass der Pulsar gerne etwas aufbauen und abbilden will, was ihm aber nicht mehr gelingt, weil irgendwie nicht „genug Strom“ da ist. Das alles klingt unangenehm, langweilig und hat überhaupt nichts beeindruckendes mehr. Also muss ich zurück zu den 15V.
Phase 8 – der PrimeMini 5/i5 zeigt dem Pulsar, wo es lang geht, jedenfalls bei der Musik
Nein – auch ich verfüge zurzeit nicht mehr über einen PrimeMini 5 i7, geschweige denn über einen i7-Max. Also muss ich jetzt den i5 anwerfen, um mal wieder etwas anderes zu hören als diesen Pulsar.
Ergebnis: Mein Gott! Kann Musik schön sein!
Der 5 i5 zeigt mir, dass er zwar weniger Details abbildet, dass er aber durch und durch verstanden hat, was Musik sein kann.
Wo der Pulsar halb rechts ein Cello abbildet, dessen Größe und Position ich exakt bestimmen kann, wird dieses Cello mit dem PrimeMini 5 von einem begnadeten Musiker gespielt, der mich mit 2-3 Tönen zu Tränen rühren kann.
Roberta Flack atmet plötzlich nicht nur beim Singen, sie haucht geradezu.
Wenn die Streicher bei „Der Dorftrottel“ einsetzen, sind das nicht einfach Streicher da halb links, ich habe das Gefühl, mir gerade einen „alten Schinken“ wie „Vom Winde verweht“ anzusehen und sofort sind da Emotionen, die mich ergreifen, fast überwältigen und meine Stimmung beeinflussen.
Die einzige „Stimmung“, die der Pulsar in mir erzeugen kann, ist eine Faszination für die Akkuratesse, mit der er Töne erzeugt und den Aufnahmeraum abbildet – geradezu ausleuchtet. Vor allem der Druck in den tiefen Tönen kann begeistern. Dieser „furztrockene“ und in höchstem Maße kontrollierte Bass – das hat was.
Musik ist mehr als nur Töne.
Ich bin mir sicher – ganz sicher – mit diesem Pulsar kann man eine Menge Menschen glücklich machen. Anlagen, die in sich verhangen, langsam oder wenig dynamisch klingen, kann man mit diesem Pulsar qualitativ um einige Stufen nach oben katapultieren. Dröhnende und wummernde Bässe werden gestrafft und erhalten Konturen.
Aber worüber ich hier schreibe, das sind Korrekturen, Kompensationsversuche.
So etwas kann funktionieren, muss aber nicht.
Der bessere Weg ist, einer guten, ausgewogenen Anlage die richtige Komponente zu liefern, die ihnen noch gefehlt hat, um High-Resolution-Audio-Streaming in musikalischer Klang-Perfektion genießen zu können. Und das scheint mir im Moment dann doch der PrimeMini 5/i7-Max zu sein.
Der PrimeMini kann: Akkuratesse, Präzision, Dynamik … nur nicht so “übertrieben” wie der Pulsar. Er erzeugt aber auch eine erstaunliche Musikalität mit Emotionen und Leidenschaft. Der Pulsar hat sich für eine Seite entschieden.
Und die Zukunft?
Der PrimeMini hält sich strikt an die Vorgaben von Roon Labs. und bringt alle Voraussetzungen mit, die er benötigt, uns bis an sein technisches Lebensende mit ausgezeichneter Musik zu versorgen. Darauf werde ich gemeinsam mit Prime Computer auch bei zukünftigen Geräte-Generationen penibel achten.
Ob ein PC mit einem anderen Board, insbesondere einem AMD-Prozessor, zukünftig noch zum ROCK-Betriebssystem kompatibel bleiben wird, kann nur Roon Labs beantworten.
Schweren Herzens erkläre ich diesen Versuch deshalb als gescheitert.
Sicherlich werde ich den Vertriebskanal zum Pulsar für meine Kunden öffnen (wenn gewünscht), aber meine Empfehlung als Roon-Core-Server erhält er leider nicht. Schade!