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BiWiring

Bi-Wiring

Bi – Wiring – was genau steckt dahinter und was soll das eigentlich?

Die englische Bezeichnung “Bi-Wiring” steht für „zweifache Verkabelung“ und bezieht sich dabei auf die Verbindung zwischen Verstärker und Lautsprecher. Und nein, es sind nicht die beiden Kabel für rechts und links gemeint – und auch nicht die für rot und schwarz, sondern zwei vollständige Kabelsätze, also jeweils 2 x  „roter“ und 2 x „schwarzer“ Leiter – für rechts und noch einmal 2 x  „roter“ und 2 x „schwarzer“ Leiter für links.
(Wobei das mit den Farben jetzt nicht so ernst genommen werden muss!)

Nun gut – ich schaue mir meinen Verstärker mal von hinten genauer an.

Zu finden sind da jeweils rechts und links zwei Lautsprecher-Klemmen. Auf jeder Seite eine schwarze und eine rote Klemme.

Diese Klemmen können so genannte „Bananas“ aufnehmen, die man von hinten in die Buchsen steckt, oder aber Kabelschuhe, also solche U-förmigen Klemmen, die man mit diesen Buchsen so richtig festklemmen kann, oder man kann auch einfach lose Kabelenden in ein Loch im Gewinde schieben und ebenfalls festklemmen.

Aber – mehrere Möglichkeiten, ein Lautsprecherkabel aufnehmen zu können, die hat man ja wohl deshalb geschaffen, weil man nicht nicht wissen konnte, welche Anschlüsse die späteren Kabel haben werden – und nicht deshalb, damit man mehrere Kabel gleichzeitig anschließen kann, oder?

Und wozu auch? Weil ich mehr als ein Paar Lautsprecher anschließen will?

Das ist nicht ganz ungefährlich! Dadurch sinkt nämlich  der Widerstand und das mögen viele Verstärker ganz und gar nicht!

Also ganz klar – je länger ich auf meinen Verstärker schaue, umso sicherer werde ich, dass ich mit einem zweiten Kabelsatz nichts anfangen kann.

Oder doch?

Schauen wir doch mal auf meine Lautsprecher.

Und siehe da!

Da finden sich doch tatsächlich zwei Paar Anschlussklemmen an jedem Lautsprecher!

Die beiden roten und die beiden schwarzen Klemmen sind jeweils mit einem Metallstreifen verbunden. Und auf dem Anschlussfeld finden sich die Aufschriften „Low“ und „High“.

Wenn ich diese Metallstreifen entferne, kann ich also tatsächlich einen Kabelsatz im Mittelhochton- und einen im Bassbereich einsetzen.

Aber – soll ich jetzt die beiden Kabelsätze am Verstärker an ein und dem gleichen Terminal-Paar anschließen? Brauche ich für so etwas nicht einen ganz anderen Verstärker oder gar ein Zusatzteil wie eine aktive Weiche?

Jede Logik muss uns doch sagen, dass an diesen Terminals am Verstärker „die ganze Musik“ anliegt, also sowohl die tiefen als auch die hohen Töne.

Und tatsächlich gibt es sogar solche „Weichen“ – aber stecken die nicht schon in den Lautsprechern?

Natürlich stecken sie in den Lautsprechern!
Genau so, wie bei der Eisenbahn die Weichenstellung bestimmt, welcher Zug in welche Richtung weitergelenkt wird, so kann eben auch eine Weiche bestimmen, welche Töne zum einen und welche zum anderen Ausgang geschickt werden.

Also, um mit Grönemeyers Worten zu sprechen:  Was soll das?

Grundvoraussetzung dafür, sich überhaupt diesem Thema nähern zu können, ist die Anerkennung der These, dass die Musik-Informationen nur dann durch ein Kabel fließen, wenn sie auf der Lautsprecherseite auch eine „Arbeit“ zu verrichten, sprich: einen Treiber oder ein Chassis zu bewegen haben.

Ist das angesteuerte Chassis nicht in der Lage, bestimmte Frequenzen wiederzugeben, nehmen wir hier mal einen Hochtöner, der natürlich einen 100Hz-Ton nicht wiedergeben kann, dann fließt auch diese Frequenz mit 100 Hz und alles darunter gar nicht erst durch das Kabel.

Nehmen wir ein Bass-Chassis, das ab spätestens 200 Hz keinen Ton mehr von sich gibt, dann fließen durch das angeschlossene Kabel eben auch keine Frequenzen mehr ab 200 Hz aufwärts.

Weil sie keine „Arbeit“ zu verrichten haben.

Ein Einwand wäre jetzt zulässig, bei dem man darauf hinweist, dass ja im Lautsprecher eben so eine Weiche eingebaut ist, was möglicherweise bedeutet, dass ja doch alle Frequenzen, also z.B. auch die niedrigen zum Hochtöner geschickt werden.

Die hohen Frequenzen bewegen das Chassis, verrichten also ihre „Arbeit“ und die tiefen Frequenzen werden in der Weichenkonstruktion mit Spulen und Kondensatoren „vernichtet“.
Um in der Weiche vernichtet werden zu können, müssen sie ja aber auch erst einmal dort hin geflossen sein, oder?

Ein Einwand, den ich also nachvollziehen und auch nicht entkräften kann. Die Bi-Wiring-Theorie besagt jedoch beharrlich, dass nur die Frequenzen durch ein Kabel fließen, die vom Chassis auch genutzt werden. Alle anderen Frequenzen fließen eben nicht. Diese These verfolgt konsequent den Denkansatz, dass Weichen die ungenutzten Frequenzen nicht “vernichten”, sondern vielmehr “blockieren”. Damit dürften sie dann tatsächlich nicht fließen.

Dies bedeutet im Klartext:
Schließe ich ein Lautsprecherkabel an meinen Verstärker an und verbinde es mit einem Hochtöner, dann kann ich ein noch so bass-starkes Musikmaterial auflegen, durch das Kabel werden ausschließlich die hohen Frequenzen fließen und kein Bass!
Solange ich keinen Bass-Lautsprecher dazu anschließe – gibt es nur Höhen – Basta!

Und umgekehrt – schließe ich dieses Kabel an ein Bass-Chassis an, fließen eben keine hohen Frequenzen durch dieses Kabel.

So weit – so gut, gehen wir einmal davon aus, dass wir diese Theorie jetzt einfach so akzeptieren. Worin genau soll der Vorteil bei der Verwendung von zwei Kabeln liegen? Denn wissen wir nicht alle, dass Musik in der Regel sowohl aus tiefen als auch aus hohen Tönen, inklusive aller, die dazwischen liegen, besteht? Also müssen ja alle Frequenzen irgendwie vom Verstärker zum Lautsprecher gebracht werden!?

Da wir Menschen uns Strom irgendwie überhaupt nicht vorstellen können, man kann ihn ja weder sehen, noch riechen, noch hören – höchstens fühlen, aber meist halt nur ein mal – bleibt mir gar nichts anderes übrig, als hier „an den Haaren herbeigezogene“ Vergleiche anzubringen.

Nehmen wir also das Beispiel einer Rolltreppe.

Die effektive Fortbewegungsgeschwindigkeit einer Person, die auf einer Rolltreppe steht, entspricht der Geschwindigkeit mit der sich die Rolltreppe bewegt.

Läuft jemand auf der Rolltreppe selber mit, erhöht sich seine effektive Geschwindigkeit nach der Formel: Rollgeschwindigkeit plus Laufgeschwindigkeit = effektive Geschwindigkeit.

Das ist ja dann lustig, wenn eine Fliege im Überschallflugzeug von hinten nach vorne fliegt – dann fliegt sie nämlich effektiv schneller als das Flugzeug! 🙂

Läuft jemand der Rollrichtung entgegen, wird er effektiv deutlich langsamer und kann sogar rechnerisch Geschwindigkeiten im Minusbereich erreichen.
Wechselt er seine Laufrichtung immer wieder, verändert sich auch jedes mal seine effektive Geschwindigkeit.

Und jetzt stellen wir uns vor, die Rolltreppe selbst würde auch noch dauernd ihre Laufrichtung wechseln.

Zurück zum Musiksignal:

Ein tiefer 50 Hz-Ton wechselt pro Sekunde 50 mal die Flussrichtung. Dabei muss sehr viel „Strom fließen“, denn es gilt, ein großes, schweres Chassis anzutreiben.

Dieser 50 Hz-Ton übernimmt jetzt einmal in unserem Beispiel die Funktion der Rolltreppe und bewegt sich wie gesagt mit 50Hz immer hin und her.

Die Person in unserem Beispiel hat jetzt die Rolle eines 500 Hz-Tones zu übernehmen.

Er wechselt also sehr schnell seine Laufrichtung, so schnell, dass wir das mit unserem Auge nicht mehr wahrnehmen können und die „Wege“, die er zurücklegt, sind entsprechend kurz.

Mit anderen Worten: Wir sehen bei der Person praktisch keine Fortbewegung durch eigenes Laufen. Allerdings bewegt er sich im 50-Hz-Takt mal nach vorne, mal nach hinten.

Voran – kommt er damit nicht.

Und genau hier hakt dieses Beispiel.

Strom – also elektrische Signale müssen nicht „voran“ kommen, so wie eine Person auf einer Rolltreppe.

Strom bewirkt schon allein durch das „Hin und Her“ etwas.

Bei einem Wasserschlauch muss das Wasser aus dem Wasserhahn heraus durch den langen Schlauch hindurch fließen und kann dann vorne den Schlauch verlassen, um zum Beispiel unsere Blumen zu bewässern.

In einem Stromkabel und so auch in einem Signalkabel muss aber kein „Stromteilchen“ den ganzen Weg hindurch durch das Kabel fließen, um dann „hinten“ aus dem Kabel herauszufließen und dort eine Aufgabe zu erfüllen.

Damit Strom fließen kann, brauchen wir zwei Kabel, bzw. zwei Leiter oder Pole und die winzigste Hin- und Herbewegung bedeutet bereits, dass Strom fließt.

Mein Physiklehrer hat damals versucht, uns das mit einem Rohr zu verdeutlichen, das mit Kugeln gefüllt ist. Sobald ich an der einen Seite eine Kugel hineinstecke, fällt auf der anderen Seite eine heraus.

Nun – bei einem Lautsprecher fällt normalerweise zum Glück nichts heraus, aber lassen Sie mich an dieser Stelle auch zu der Funktionsweise eines konventionellen Lautsprechers etwas erläutern:

Man stellt sich am besten vor, wir halten in beiden Händen ein Band. Das linke Band ist vorne an einer Pappfläche befestigt. Das rechte Band ist an der Rückseite der Pappfläche befestigt, wird dann über eine Rolle ebenfalls nach vorne gelenkt und dort halten wir es in der rechten Hand.

Ziehen wir am linken Band, bewegt sich die Pappfläche nach vorne, ziehen wir am rechten Band, bewegt sie sich nach hinten.

Könnten wir jetzt 50 mal pro Sekunde unsere Zugrichtung ändern, hätten wir einen „mechanischen Lautsprecher“ gebaut, den wir sogar hören könnten.

In unseren elektrischen Chassis passiert genau solch ein Vorgang, nur dass der Verstärker nicht an Bändern zieht, sondern Strom zu den Chassis fließen lässt.

Dort gibt es dann eine Spule und einen Magneten. Fließt der Strom von plus nach minus bewegt sich das Chassis nach vorne, fließt er von minus nach plus, bewegt es sich nach hinten.

Und im Gegensatz zu uns ist ein Verstärker durchaus in der Lage, seine „Zugrichtung“ auch mehrere tausend mal pro Sekunde zu verändern.

Durch ein Signalkabel, also durch das Lautsprecherkabel fließen alle in der Musik vorhandenen Frequenzen gleichzeitig.

Finden Sie das nicht auch unglaublich?

Wie kann es sein, dass wir von einer Frauenstimme selbst die feinsten Details vernehmen können, obwohl gleichzeitig eine mächtige Bassunterstützung und große Pauken so „mächtige Ströme“ fließen lassen, dass doch eigentlich alle anderen Informationen „untergehen“ müssten?

Nun – das ist auch für mich nach wie vor immer noch ein Phänomen, dass ich mit meinem Kopf wohl niemals begreifen werde – aber es ist so. Unsere heutigen Geräte, die können das.

Aber geht das nicht besser?

Und genau da behauptet jetzt die Bi-Wiring-Theorie, dass wir das Klangbild verbessern können, wenn wir die hohen Töne von den tiefen Tönen getrennt durch zwei verschiedene Kabel leiten.

Ich für mein Teil muss sagen, dass ich das für das Logischste der Welt halte, eben weil ich mir nicht vorstellen kann, wie das mit allen Frequenzen in einem Kabel überhaupt funktionieren kann und mir liegt die Frage auf der Zunge:

Reicht das denn überhaupt?

Wäre es nicht besser, noch viel mehr Kabelsätze einzusetzen?

Doch – immer mal langsam mit den jungen Pferden:
Wie viele Kabelsätze maximal sinnvoll sein können, bestimmt ja die Anzahl der Chassis in unserem Lautsprecher.  Wenn ich nur zwei Chassis habe – was soll ich dann z.B. mit 10 Kabeln?

Das wäre ja dann so wie mit der Mülltrennung bei uns im Amt. Jeder bekommt drei Abfalleimer in drei unterschiedlichen Farben für drei unterschiedliche Abfallsorten. Die Reinigungskraft holt jeden Morgen alle drei Abfalleimer in den Flur und kippt die Inhalte in ein und dieselbe (!) große Tüte.

Doch selbst Lautsprecher mit drei oder mehr Chassis müssen nicht als Mehrwege-Lautsprecher konstruiert sein. Nicht die Anzahl der Chassis bestimmt nämlich die Anzahl der „Wege“ – dies übernimmt allein die Weiche.

Bi-Wiring richtet sich damit ausschließlich an Zwei-Wege-Boxen. Bietet der Lautsprecher drei Wege, so müsste man auch konsequenterweise Tri-Wiring betreiben.

Lassen Sie mich hier aber bei unserem Thema Bi-Wiring bleiben.

Die meisten Lautsprecher sind Zwei-Wege-Konstruktionen und damit eben geeignete Klienten für Bi-Wiring.

In der Praxis muss aber gesagt werden, dass nicht jeder Lautsprecher durch diese Maßnahme an Klang-Qualität gewinnt. Bei so manch einem ist das auch unmöglich.

So habe ich mal für einen Kunden die Innenverkabelung seiner Lautsprecher mit einem auf „Intelligenz zielenden“ Namen wechseln sollen. Diese Lautsprecher in halber „Telefonzellengröße“ wurden mit der Möglichkeit des Tri-Wiring-Betriebs beworben und hatten demnach an der Rückseite 3 Terminalpaare, die man auch noch einzeln schalten konnte.

Nachdem ich das Anschlussfeld herausgeschraubt hatte, offenbarte sich ein trauriges und überhaupt nicht intelligentes Bild: Alle drei Terminalpaare waren durch einen Draht miteinander verbunden. Völlig gleichgültig also, welches der Terminalpaare man verwendete, wie viele Kabel man benutzte und welche Schalterstellung man auch wählte – die tatsächliche Anschluss-Situation war immer identisch.

Dass der Besitzer einer solchen Box zwischen Single-Wiring, Bi-Wiring und selbst Tri-Wiring keine großen Unterschiede hören konnte, verwunderte nicht.

Allerdings gibt es auch hinreichend viele Beispiele für Lautsprecher, die im Bi-Wiring-Betrieb zu echten Höchstleistungen auflaufen.

Ob und wie ein Lautsprecher auf den Bi-Wring-Betrieb reagiert, dass hängt allein von seiner Konstruktion ab.

Nehmen wir als Beispiele die Elise I und die Pearl I aus meinem Lieferprogramm.

Während sich die Elise I durch Biwiring nicht noch weiter verbessern lässt, legt die Pearl I durch den Einsatz eines zweiten Kabelsatzes deutlich an Klangqualität zu.

Logischerweise bot der Hersteller die Elise I dann auch nicht mit Terminals für Bi-Wiring an.

Muss man zwei identische Kabelsätze verwenden oder dürfen es auch unterschiedliche Kabel sein?

Zugegeben – die Verlockung ist groß:

Der Bass ist schwammig?
Also nehme ich im Bassbereich ein Kabel, dass den Bass trockener und dünner werden lässt.

Die Höhen nerven?

Also nehme ich im Hochtonbereich ein Kabel, dass schöne, volle Höhen zaubert, oder?

Ja, sicher dürfen Sie das machen – es sind ja Ihre Lautsprecher, Ihre Kabel und es ist Ihr Geld!

Aber bei dieser Vorgehensweise muss man berücksichtigen, dass jedes Kabel eigene elektrische Parameter besitzt. Und wenn wir jetzt für den Bass und die Höhen unterschiedliche Kabel mit unterschiedlichen Parametern einsetzen, machen wir nichts anderes, als in die Weichenauslegung einzugreifen. Mit vollem Risiko! Das kann gut gehen, muss es aber nicht.

Keine Angst – Sie können nichts „kaputt machen“ – außer:  Den Klang!

Manchmal hören wir auf Anhieb, dass unsere Probleme beseitigt sind und freuen uns. Ein paar Tage später erkennen wir die neu hinzugekommenen Probleme, die regelmäßig unsere vorherigen Probleme übersteigen. Meine Empfehlung geht daher auf jeden Fall dahin, zwei identische Kabelsätze zu verwenden, oder zumindest zwei „ähnliche“ – vielleicht vom gleichen Hersteller.

Fazit:

Beim Bi-Wiring fließen die hohen und tiefen Frequenzen durch getrennte Kabel und manipulieren sich nicht mehr gegenseitig. Die Höhen werden nicht von den „großen Bass-Strömen“  beeinflusst und die Bässe klingen einfach sauberer – befreit von den „firlefanzigen“ Höhen.

Das alles funktioniert jedoch nur dann, wenn der Boxenentwickler die Weiche dafür ausgelegt hat. Wie so oft ist also mal wieder ausprobieren angesagt.

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