Die Litze
Wer so ein Kabel wieder real vor sich haben will, der geht jetzt vielleicht mal mit einer Schere in den Keller und sucht dort das kaputte Bügeleisen oder den defekten Staubsauger. Die Baumarktbesucher fragen nach einem Gerätekabel (z.B. H05RR-F).
Oder man schaut sich einfach wieder die Abbildung neben diesem Text an.
Beim Aufschneiden des Kabels werden wir wieder wie beim Feuchtraumkabel drei bis fünf Adern entdecken. Allerdings unterscheiden sich die Adern von denen aus dem Feuchtraumkabel. Sie bestehen nämlich nicht aus massiven Drähten, sondern aus vielen winzig dünnen Drähtchen, also aus „Litzen“.
Bei Haushaltsgeräten sorgt dieser Aufbau vor allem dafür, dass das Stromkabel nicht dauernd „durchbricht“. Bügeleisen oder Staubsauger werden halt viel bewegt und das würde dazu führen, dass wir die einzelnen, massiven Drähte eines Kabels ständig „verbiegen“ würden.
Im HiFi-Bereich kenne ich keine Anwendung, bei der ein Kabel einer ähnlichen mechanischen Belastung ausgesetzt wäre, weshalb wir diesen Aspekt beiseite legen können. Für uns ist ein anderer Aspekt viel bedeutender, nämlich die Frage, ob wir damit nun den Skin-Effekt verhindern können, denn das sollte ja unser Ziel sein.
Zur Theorie:
Bei einem Draht, bei dem wir viele dünne Litzen verwenden, hat ja jede Litze für sich einen „mittleren Kern“, durch den die tiefen Frequenzen fließen und eine Oberfläche, an der die hohen Frequenzen fließen. Da wir nun Litzen sowohl im mittleren Kern der Ader als auch am Rand der Ader haben und diese Litzen möglicherweise sogar so umeinander gewickelt wurden (Verschlag), dass jede Litze mal innen und auch mal außen verläuft, kann es den Frequenzen überhaupt nicht mehr gelingen, sich so „aufzuteilen“, dass die einen innen und die anderen außen fließen, oder?
Der Übergangswiderstand – oder:
Diese Signale sind schrecklich untreue Typen!
Statt über den ganzen Verlauf des Kabels in der zu Beginn gewählten Litze zu verbleiben, werden sie permanent von der „hübschen Nachbarlitze angelockt“ und glauben in ihr das größere Glück zu finden. … oder so. 🙂
Sachlich ausgedrückt:
Die dünnen Drähtchen berühren sich. Da sie leitend sind, fließen die Signale eben fortlaufend von der einen zur anderen Litze. Und das, obwohl der Weg durch eine einzelne Litze ja viel „leichter“ wäre.
Immer und immer wieder stoßen wir in der Natur auf die Aussage: „… sucht sich den Weg des geringsten Widerstandes!“.
Unseren Signalen scheint man diese Information verschwiegen zu haben. Sie wechseln.
Und bei jedem Wechsel haben sie den so genannten Übergangswiderstand zu überwinden. So eng diese Litzen auch beieinander liegen mögen, unter dem Mikroskop ergeben sich Zwischenräume. Und diese Zwischenräume sorgen dafür, dass ein Übergangswiderstand erzeugt wird. … den das Signal beim Wechseln zu überwinden hat.
Und nun kommen wir zu der Frage:
Wie oft geschieht das wohl auf dem Weg durch ein sagen wir mal drei Meter langes Lautsprecherkabel?
Wie oft wechseln die Signale die Litze?
Zehn mal?
Zehnmillionen mal?
Lässt sich das messen oder anderswie feststellen?
Und selbst wenn –
würden uns diese Messergebnisse etwas bringen? Wäre die Häufigkeit des Litzenwechselns dann ein Indiz für die Klangqualität eines Kabels?
Müsste dann etwa dem Verbraucher demnächst auf der Verpackung mitgeteilt werden, wie oft die Signale bei diesem Kabel durchschnittlich die Litzen wechseln?
Wovon wäre das überhaupt abhängig? Vom Material, vom Aufbau, von der Reinheit …
Halten wir fest:
Mit einem Litzenaufbau verhindern oder mindern wir zwar den Skin-Effekt. Durch den ständigen Wechsel der Signale von der einen in die andere Litze, sind jedoch vielfach Übergangswiderstände zu überwinden, die sich möglicherweise auf das Klangergebnis auswirken können.
Geht man davon aus, dass Hersteller unterschiedlich dicke Litzen aus unterschiedlichen Materialien und mit einem unterschiedlichen Verschlag verwenden, dann könnte hierin durchaus eine Ursache dafür liegen, dass sich Kabel im Klangergebnis unterscheiden.