Die Tonarm – Montage
oder: wohin mit dem langen Ding?
Die meisten Analoglaufwerke werden wohl als komplette Plattenspieler gekauft, also inklusive Laufwerk, bereits montiertem Tonarm, Tonabnehmer und Verkabelung.
In diesem Fall sollte man davon ausgehen können, dass der Tonarm an der richtigen Stelle montiert wurde und man selber gar nicht unbedingt wissen muss, wieso er gerade dort und nicht woanders befestigt worden ist.
Möglicherweise ist das aber bei Ihrem Laufwerk anders. Vielleicht entwickeln Sie Ihren eigenen Plattenspieler oder haben ein Laufwerk gekauft, das noch keine Tonarmbohrung besitzt. Oder Sie möchten einfach nur erfahren, wieso Ihr Tonarm dort montiert worden ist, wo er jetzt sitzt.
Gehen wir der Sache also mal auf den Grund.
Ich will diesen Beitrag mit einem vollständig runden Beispiel-Laufwerk beginnen. Nennen wir es einfach „Gullideckel“. Groß genug, um rundherum einen 12-Zoll-Tonarm montieren zu können. Die Mitte des Gullideckels ist auch die Mitte des Plattentellers.
Und wo gehört der Tonarm da jetzt genau hin?
Die korrekte Antwort muss bei dieser Laufwerksform lauten: Völlig gleichgültig, solange der vom Tonarmhersteller vorgeschriebene Abstand zwischen Tonarmlager und Plattentellermitte korrekt eingehalten wird.
Doch was ist der korrekte Abstand und woher weiß ich den?
Vorab:
Da gibt es ein paar Werte, die man ganz schnell durcheinander bringen kann. Deshalb will ich zunächst näher auf die verschiedenen Maße eingehen:
Die tatsächliche Tonarmlänge
Dieser Wert ist einfach die Länge des Tonarmes inklusive Headshell, Tonarmrohr, Lager und hinterer Konstruktion samt Gegengewicht. Für die spätere Justage des Tonarmes ist dieser Wert nicht von Bedeutung. Dennoch sollten wir das Maß kennen und bei der Festlegung des Montagepunktes berücksichtigen.
Wollen wir einen Tonarm nämlich auf einem üblichen „Kistenlaufwerk“ montieren, müssen wir diesen Wert schon deshalb beachten, weil der Arm sonst möglicherweise hinten oder vorne über das Chassis hinausragt, was einfach nicht gut aussehen würde.
Spätestens wenn wir ein Laufwerk mit Haube besitzen, muss der Tonarm so montiert werden, dass er weder vorne noch hinten gegen die Haube stoßen oder beim Zuklappen von ihr eingequetscht werden kann.
Die effektive Tonarmlänge
Dies ist bei der Justage eines Tonarmes das wichtigste Maß. Die effektive Tonarmlänge messen wir zwischen Abtastnadel und Tonarmlager-Mittelpunkt. Da Tonabnehmer unterschiedliche Bauformen besitzen und die Abtastnadel mal weiter vorne, mal weiter hinten im Tonabnehmer sitzt, muss das System verschoben werden können.
Aus geometrischen Gründen (darauf gehe ich später noch ein) darf der Tonabnehmer auf keinen Fall so eingebaut werden, dass die Nadel genau auf die Mittelachse des Plattentellers zeigt, wenn wir den Arm nach innen schwenken, sondern er muss einige Millimeter über die Achse hinausragen (Stichwort: Überhang).
Tonarm-Montage-Abstand
Dies ist das Maß zwischen der Mitte der Plattenteller-Achse und der Mitte des Bohrloches für den Arm. Er ist also das Ergebnis aus der Berechnung: Effektive Tonarmlänge minus Überhang.
Bei den meisten Tonarmen ist die Mitte des Bohrloches auch gleichzeitig die Mitte des Tonarmlagers. Bei hiervon abweichenden Konstruktionen ist man auf eine Schablone angewiesen. Im günstigsten Fall liefert der Tonarm-Hersteller eine solche Bohrschablone gleich mit.
Schwierig wird die korrekte Bohrung auch dann, wenn wir es zum Beispiel mit der SME-Konstruktion zu tun haben. Da die Headshell bei den SME-Tonarmen weder ein Verschieben noch ein Verdrehen des Tonabnehmers zulassen, erfolgt bei ihnen die Justage allein durch das Verschieben des kompletten Tonarms in einer Art „Schlitten“.
Hierzu muss nicht nur ein rundes Loch in das Chassis gebohrt werden, sondern ein Langloch. Und damit das System korrekt justiert werden kann, darf dieses Langloch nicht einfach zur Plattenteller-Mittelachse zeigen, sondern muss leicht nach außen hin verdreht sein.
Kaufen Sie sich einen gebrauchten SME-Tonarm und müssen Sie das Langloch selber fräsen, achten Sie also unbedingt darauf, dass die für das Tonarm-Modell passenden Bohrschablonen mitgeliefert werden. SME bietet dazu folgende Hilfsmittel an, die jeweils zum verwendeten Tonarm-Modell passen müssen:
Zusammenfassung:
Für die Festlegung des korrekten Tonarm-Montage-Punktes brauchen wir nur ein einziges Maß, nämlich den Tonarm-Montage-Abstand. Dieser ergibt sich rechnerisch aus der Formel: Effektive Tonarmlänge minus Überhang. Besondere Tonarmaufbauten, bei denen die Mitte der Bohrung nicht identisch ist mit der Mitte des Tonarmlagers, benötigen eine entsprechende Schablone des Tonarmherstellers.
Aber wo gehört er denn jetzt genau hin, unser Tonarm?
Um den Beitrag nicht zu kompliziert zu machen, will ich von einem „einfachen“ Tonarm-Modell ausgehen, also einem, für den wir ein rundes Loch bohren müssen.
Schauen wir uns unseren Gullideckel noch einmal an und stellen wir uns vor, der Tonarm-Hersteller hätte eine Montage-Schablone mitgeliefert. Die Schablone hat an der einen Seite ein Loch, womit sie über die Plattentellerachse geschoben werden kann. An der anderen Seite hat sie ein kleines Loch, durch das wir eine Bleistiftmine stecken können.
Hier mal eine nicht (!) maßstabsgerechte Beispiel-Schablone:
Bei unserem Gullideckel können wir uns jetzt also aussuchen, ob wir die Schablone rund um die Plattentellerachse drehen und so mit der Bleistiftmine einen vollständigen Kreis zeichnen, oder ob wir einfach irgendeine Stelle auswählen und einen einzigen Punkt auf das Chassis zeichnen.
Vielleicht erkennen Sie an dieser Stelle, wieso ich die ungewöhnliche Form als Beispiel-Laufwerk ausgewählt habe. An ihr wird jetzt deutlich, dass es für die Montage und Justage eines Tonarms grundsätzlich völlig gleichgültig ist, an welcher Stelle er montiert wird, solange der Abstand zur Plattenteller-Achse stimmt.
Nachfolgende Skizze: Gleichgültig, wo Sie den Arm auch immer montieren, stimmt der Abstand zur Plattentellerachse, ist er auch an der korrekten Stelle montiert. So einfach ist das.
Ist der Arm erst einmal auf unserem Gullideckel montiert, werden wir jedoch feststellen, dass es wenige Montagepunkte gibt, bei denen wir den Arm auch komfortabel und sicher bedienen können.
Sicherlich ist es nicht sonderlich überraschend, wenn sich der übliche Montagepunkt als besonders praktisch erweist, oder?
Tja – und deshalb ist es natürlich auch unsinnig, ein Laufwerk tatsächlich als „Gullideckel“ zu konstruieren. Es sei denn, wir wollten mehrere Tonarme montieren.
Allen anderen Bauformen gemein ist wohl die Tatsache, dass sie eine „schöne“ Vorderseite besitzen.
Daraus ergibt sich automatisch die Tatsache, dass sie auch eine “weniger schöne” rechte, linke und rückwärtige Seite haben.
Selbst runde Laufwerke verfügen in der Regel über eine solche „hübsche“ Vorderseite, meistens mit einem schicken Firmenschild versehen, während der Motor und vor allem die Anschluss-Terminals für die Verkabelung und das Netzteil an der Rückseite angebracht sind. Damit wir sie nicht dauernd sehen müssen.
Ein solches Laufwerk können wir also nicht einfach verdrehen, nur weil wir den Tonarm an einer ungünstigen Stelle montiert haben. Spätestens bei einem „Kistenlaufwerk“ bindet uns zudem unser ästhetisches Empfinden an eine „gerade“ Ausrichtung des Laufwerks.
Hier ein paar Punkte, die wir deshalb besser schon bei der Auswahl des richtigen Montagepunktes zusätzlich zum Montage-Abstand berücksichtigen sollten.
Der Motor
Er sitzt in der Regel hinten links. Da sehen wir wenig von ihm und er ist weit genug vom Tonarm weg. Also achten wir nun auch darauf, dass sich unser Bohrloch wirklich weit genug vom Motor entfernt befindet.
Die Chassis-Fläche
Einige, meist runde Laufwerke, stellen eigene, mehr oder weniger „in der Luft schwebende“ Tonarmbasen zur Verfügung. Für diese Basen gibt es in der Regel exakt festgelegte Montagepunkte. Wir müssen also lediglich den korrekten Tonarm-Montage-Abstand einhalten.
Bei der klassischen „Kistenform“ sollten wir folgende Aspekte berücksichtigen:
Bedienung
Selbst für Linkshänder dürfte es am einfachsten sein, wenn der Tonarm hinten rechts montiert wird und sich die Headshell im Ruhezustand des Tonarms somit vorne rechts befindet.
Wer schon einmal ein Laufwerk mit zwei oder drei Tonarmen bedienen musste, der weiß, wie schwierig es zum Teil ist, wenn ein Tonarm nicht an der klassischen Montagestelle angebracht werden konnte. Es geht ja nicht nur um die Bedienung des Tonarmes, es geht ja auch darum, dass wir sehen wollen, wo wir den Tonarm absetzen. Und gucken tun Rechts- und Linkshänder nun einmal beide gleich. 🙂
Parallelität zum Chassis
Dies ist ein rein ästhetischer Aspekt. Nichts spricht dagegen, wenn der Tonarm in Ruhestellung nicht parallel zur rechten Chassis-Kante steht. Aber ich bin mir sicher, dass sich die meisten von uns nicht mit einem „schief angebrachten“ Tonarm anfreunden können.
Bei einem runden Laufwerk fällt eine geringe Abweichung nicht sofort auf, aber auch da sucht unser Auge fortlaufend nach Parallelen und rechten Winkeln. Selbst wenn wir einen S-förmigen Tonarm montiert haben.
Abstand zum Plattenteller
Hiermit ist nicht der Abstand zur Plattenteller-Achse gemeint, denn der ist ja durch den Tonarm-Montage-Abstand vorgegeben, sondern es ist der Abstand zwischen dem Arm, besonders im Bereich der Headshell zum Plattenteller gemeint. Befindet sich die Headshell im Ruhezustand des Arms zu nah am Plattenteller, kann eine Platte, die uns aus der Hand rutscht, schnell die Nadel beschädigen. Selbst beim Anheben des Tonarms aus der Ruhestellung müssen wir immer wieder befürchten, dass eine unbedachte Handbewegung dazu führt, dass wir die Nadel seitlich gegen den Plattenteller oder die Platte stoßen lassen. Ein beruhigender Abstand zwischen Headshell und Plattenteller ist da eine wirklich feine Angelegenheit.
Abstand zur hinteren Haubenseite
Bevor Sie den Bohrer ansetzen, halten Sie den Tonarm einfach mal so über diesen Bohrpunkt als sei er bereits angebracht und drehen Sie den Arm nach innen zur Plattenmitte hin – so, wie es beim Abspielen einer Platte geschehen wird.
Was uns bei manchem LKW mit dem Schild „ACHTUNG! Heck schwenkt aus!“ mitgeteilt wird, das sollten wir auch beim Tonarm bedenken. Manche Hauben sind auch so geformt, dass sie nach oben hin schräg zulaufen. Wenn Ihr Auge dann den Abstand nach hinten für gut befunden hat während die Haube nach oben aufgeklappt war, kommt nach der Montage das böse Erwachen, wenn die Haube das erste mal zugeklappt wird und hinten gegen den Tonarm stößt.
Abstand zur vorderen Haubenseite
Wer auf Nummer sicher geht und den Arm einfach weit genug nach vorne hin montiert, der sollte sich genau ansehen, wie die vordere Seite der Haube geformt ist. Denn auch hier kann eine Schräge für eine böse Überraschung sorgen. Im Extremfall hatten wir überhaupt nicht daran gedacht, dass die Haube gar nicht bis zur Vorderkante des Chassis reicht. Dann kann es uns passieren, dass die Haube von oben auf die Headshell aufstößt und wir sie damit wohl für immer auf den Dachboden oder in den Keller verbannen müssen.
Abstand zur rechten Haubenseite
Dieser Aspekt ist vor allem dann zu berücksichtigen, wenn Sie vorhaben, die Haube auch während des Abspielens zu schließen. Einige Laufwerke klingen tatsächlich mit geschlossener Haube besser als offen. Dann wäre es natürlich schade, wenn der hintere Ausläufer des Tonarms rechts gegen die Haube schlägt und ein Abspielen der vollständigen Plattenseite damit unmöglich macht.
Resonanzfläche/Befestigungspunkte
Um diesen Aspekt mit berücksichtigen zu wollen, muss man meiner Theorie Glauben schenken, dass der Resonanzkreislauf für den Klang eines Plattenspielers von Bedeutung ist. Der Resonanzkreislauf findet statt zwischen: Nadel, Tonabnehmer, Tonarm, Tonarmlager, Tonarmfuß, Chassis, Plattentellerlager, Plattenteller, Plattentellerauflage und Schallplatte.
Je ungestörter dieser Resonanzkreislauf stattfinden kann, um so vollendeter wird der Plattenspieler klingen.
Besteht das Chassis aus einer dicken Platte eines einheitlichen Materials, ist es nicht ganz so bedeutend, an welcher Stelle der Tonarm montiert wird. Handelt es sich beim Chassis aber um eine dünne Platte, die mit Haltern an den Seitenwänden montiert ist, dann kann sich der Abstand zu diesen Haltern auf das Klangbild auswirken. Unser Ziel sollte dann sein, eine Stelle zu finden, an der die Resonanzen nicht zu stark durch eine Halterung unterdrückt werden. Andererseits sollte der Arm aber auch nicht auf einer in sich „federnden“ Fläche montiert werden, weil dadurch der Kreislauf ebenfalls gestört wird.
„Mann, ist das kompliziert!“
Nein, eigentlich gar nicht – ich habe es nur kompliziert beschrieben.
Denn all diese Gedanken sollte sich der Laufwerkshersteller schon bei der Entwicklung gemacht haben. Und logischerweise sollte er diese Aufgaben auch schon mehr oder weniger für Sie erledigt haben.
Falls Sie nicht wirklich dabei sind, ein Laufwerk von Grund auf selbst zu entwickeln, sollte der richtige Montagepunkt also schon in etwa vorgegeben sein.
Falls doch, haben Sie jetzt ein paar Aspekte erfahren, die Sie bei Ihrer Entwicklung berücksichtigen können, wenn Sie möchten.
Im nächsten Beitrag geht es um die Tonarm-Geometrie und die richtige Justage.