Progressive Audio Extreme III, passiv vs. aktiv.
In diesem Bericht „Progressive Audio Extreme III, passiv vs. aktiv“ gehe ich auf einen Lautsprechervergleich ein, bei dem mich viele vorab gefragt haben, was genau ich denn damit bezwecken wolle.
In unserem Studio steht schon seit geraumer Zeit eine passive Extreme III in der MK II-Version.
Die MK II-Version hat im Vergleich zur MK I an Reife und Volumen dazu gewonnen. Sie klingt jetzt erwachsener, souveräner und stellt Sänger und Instrumente mit noch mehr Körper dar. Die Raumausleuchtung hat sich ebenfalls noch einmal verbessert.
Richtig in der Zeit und in der Phase spielte bereits die MK I. Zudem besaß auch sie schon eine ungeheure Spielfreude. Aber die MK II-Version rundet das Klangbild mit allem ab, was man von einem Lautsprecher in dieser Preisklasse erwartet und auch erwarten darf.
Ihre Musiksignale erhält sie bei uns, wenn nicht ein Kunde einen anderen Wunsch äußert, vom A901, ebenfalls aus dem Hause Progressive Audio. Zwar begnügt sie sich durchaus auch schon mit deutlich günstigeren Amps wie einem Elac Element oder einem Creek A50, aber in der Kombination mit dem A901 hört man einfach sofort die ganze Klasse dieses Lautsprechers.
Ausgerechnet gegen diese Traumkombination nun einen Aktivlautsprecher laufen zu lassen, bei dem man im direkten Vergleich auch noch satte 7.000,- € sparen kann, das schien mir zwischendurch manchmal selber ein wenig unsinnig zu sein.
In meinem Bericht “Aktivlautsprecher vs. Passivlautsprecher” erläutere ich die Unterschiede zwischen diesen beiden Systemen. In dem Bericht „Aktivboxen – Neues Spiel, neues Glück?“ geht es um die neuen Chancen, die das Streaming den Aktivlautsprechern verschafft und darum, dass viele meiner Kunden deshalb so richtig Spaß daran finden, konsequent auf ein aktives System umzusteigen.
Und vor diesem Hintergrund musste ich mich dann wohl einfach mit diesem Lautsprechervergleich befassen.
Beginnen wir zunächst mit den Fakten:
Design und Größe
Will man einen optischen Unterschied zwischen den beiden Ausführungen erkennen, muss man schon
auf die Rückseite schauen – von vorne gibt es jedenfalls keinen Unterschied.
Auf meinen Fotos sind zwar unterschiedliche Ausführungen des Logos zu sehen, aber alle derzeit ausgelieferten Boxen erhalten das „leichtere“ Logo und nicht mehr das große silberne Schild.
Gewicht
Die aktive Version mit ihren 27 kg bringt es lediglich auf ein Mehrgewicht von 2 kg im Vergleich zu der passiven Ausführung. Das erstaunt im ersten Moment, denn irgendwie erwartet man ja doch einen größeren Gewichtsunterschied, oder? Der Grund dafür, dass sie sich kaum unterscheiden, liegt darin, dass die Passivweiche ja auch so einige Kilo auf die Waage bringt und diese bei der aktiven Version natürlich komplett wegfällt.
Kabelkosten
Da uns bei beiden Lautsprechern der komplette Kabelmarkt offen steht, kann man diesen Punkt nur schlecht bewerten. Ich habe einfach mal die hauseigenen Kabel vom Typ 711 zum Vergleich herangezogen und stelle fest, dass sich daraus ein Unterschied von 10,- € errechnen lässt.
Gesamtkosten
Beim aktiven Lautsprecher stehen die Kosten für den Verstärker fest. Habe ich vor, nicht nur ein einzelnes Gerät (wie den Auralic Altair) an die Boxen anzuschließen, kommt der Preis für eine passende Vorstufe als Schaltzentrale noch hinzu.
Beim passiven Lautsprecher reichen die zu berücksichtigenden Kosten für den Verstärker von der Milchmädchenrechnung Null Euro (ich behalte meinen vorhandenen Verstärker) bis ins Unendliche.
Um aber auch hier eine Vergleichbarkeit für diesen Bericht herzustellen, greife ich bei der passiven Version auf den hauseigenen A901 zurück. So ist sichergestellt, dass beide Ausführungen auf gleich hohem Klang-Niveau spielen können.
Passiv:
7.998,- € Extreme III
11.498,- € A901
1.998,- € Auralic Altair
21.494,- € Gesamtkosten
Aktiv:
12.498,- € Extreme III
1.998,- € Auralic Altair
14.496,- € Gesamtkosten
Wer keinen Vorverstärker benötigt, der kann hier also bei der aktiven Box einen ordentlichen Batzen Geld sparen.
So viel zu den Fakten und theoretischen Überlegungen, mit denen wir jetzt wohl noch keine überzeugenden Gründe für oder gegen die eine oder andere Version gefunden haben.
Ich beginne meinen Hörtest mit der passiven Kette.
Margo Price, „Hands of Time“ vom Album „ Midwest Farmer´s Daughter“
Den Beginn des Stücks dominieren die Sechszehntel des Schlagzeugers auf dem geschlossenen HiHat und das Schlagen auf den Rand der Snare.
In beeindruckend dynamischer Weise wird der Bass gespielt. Das Anzupfen geschieht so dynamisch und wuchtig, dass man glaubt, es würde jeweils von der Basedrum begleitet. Die Gitarre ist überraschend weit rechts – noch neben dem rechten Lautsprecher zu hören.
Margos Stimme klingt kräftig – es ist nun einmal keine Flüster- und keine Hauchstimme, sondern mehr so eine klassische Country-Stimme, die es versteht, sich selbst in lauten Saloons Gehör zu verschaffen.
Es dauert keine 10 Sekunden, um beim Hören mitten in so einem Saloon zu sein.
David Munyon, „Leaving Moscow in a stolen Car“ vom Album „Clark“
Ein Mann, ein Pferd – oder doch eher eine Stimme, eine Gitarre.
Während man die Mikrofonaufstellung für die Gitarre sicher kritisieren kann, beeindruckt die Aufnahme mit einer überaus realistischen Wiedergabe des Gesangs. Wer erfahren will, was es bedeutet, wenn jemand sagt: „Man kann dem Sänger in den Mund fassen“ oder ähnliches, der muss sich diesen Titel mal über die Extreme III von Progressive Audio anhören.
Hier wirkt absolut gar nichts künstlich oder unnatürlich. Hier will man einfach nur die Augen schließen und Musik genießen, als erlebe man David Munyon live auf einer ganz kleinen Bühne.
Jilette Johnson, „In Repair“ vom Album „All I ever see in you is me“
Ganz im anfänglichen Stil von Cowboy Junkies empfängt uns Jilette Johnson in diesem Titel mit einer Gänsehaut-Atmosphäre und genau so einer Gänsehaut-Stimme.
Wer das Album durchhört, den beschleicht vielleicht schon so eine Ahnung, dass es in den RCA-Studios in der Nähe von Nashville aufgenommen wurde. Genau dort, wo auch Dolly Pardon ihre Aufnahmen machen ließ.
“In Repair” setzt links mit einem „schwingenden Piano“ ein – und über den gesamten Titel hinweg kommt nicht ein einziges mal ein Zweifel darüber auf, wo es steht und wie groß es ist.
Beim Schlagzeuger hat man zum Glück darauf verzichtet, jeder einzelnen Trommel und jedem Becken ein eigenes Mikro zu gönnen, um jede Tom nach Gutdünken im Raum verteilen zu können. Stattdessen befindet es sich schön nach hinten versetzt in der Mitte und bleibt dort auch als Einheit hörbar.
Je mehr Titel man von diesem Album hört, umso überzeugter ist man davon, dass das RCA-Studio hier mal wieder eine Sängerin aufzeichnen durfte, die der großen Dolly Pardon in nichts nachsteht.
Kari Bremnes, Byssan Lyll vom Album Go Gatt Vol.1
Kari Bremnes ist eine „audiophile Institution“ und der Titel Byssan Lyll, ursprünglich vom Album Svarta Björn, fast schon eine Legende. Hier auf diesem Album hören wir eine neue Interpretation von ihr mit einer sehr spärlichen Begleitung, die von dem Sound der stark im Klang veränderten Instrumente lebt. „Kari auf dem Schrottplatz“ nannte einer unserer Kunden dieses Stück recht treffend.
Räumlichkeit, Ortbarkeit, Dreidimensionalität und Authentizität dieser Aufnahme sind schlicht und ergreifend außergewöhnlich und ein sehr überzeugendes Beispiel dafür, wie man heute Musik spannend aufnehmen kann.
Die Extreme III „schenkt“ uns förmlich diesen Titel mit allem, was im Tonstudio eingespielt wurde. Und wenn ich schreibe „mit allem“, dann meine ich hier auch „mit allem“.
Karis Stimme wird derart authentisch abgebildet, dass man ihr fast intim nahe kommt. Lippen, Zunge und Spucke im Mund erlebt man, wie man es wohl sonst nur während eines Techtelmechtels erleben kann.
Froh über etwas mehr Abstand ist man dann aber ab etwa 2:19, wenn ein gigantisches Fell einen unglaublich tiefen Bass in den Raum hinein pulsieren lässt.
Mit einer überzeugenden Souveränität produziert die Extreme III die Dynamik metallischer Geräusche und das mächtige Schwingen abgrundtiefer Bässe, während sie uns ganz am Ende des Titels noch einmal die Zusammenhänge zwischen Karis Stimme und dem Aufnahmeraum „erklärt“.
Fazit Hörtest Progressive Audio Extreme III – passiv
So weit, so gut, so faszinierend.
Der erste Durchgang dieses Tests brachte für mich jetzt keine Überraschungen, sondern bestätigte meine Erfahrungen mit dieser Box und rechtfertigte erneut meine Entscheidung, meinen Kunden in dieser Preisklasse genau diesen Lautsprecher zu empfehlen.
Beim Abschalten des A901 und Umstöpseln des Altair beschlich mich deshalb das Gefühl, dass es jetzt gleich im zweiten Durchgang schwer werden könnte, eindeutige Klangunterschiede heraus zu hören.
Hörtest Teil zwei – Progressive Audio Extreme III – aktiv
Margo Price, „Hands of Time“ vom Album „ Midwest Farmer´s Daughter“
Ich sitze da, höre den Titel und – ich weiß nicht, was ich denken soll, schreiben soll.
Das Problem, keinen Unterschied zu hören, stellt sich hier jedenfalls nicht.
Doch es ist nicht so wie ein Vergleich zwischen einem schlechteren und einem besseren Lautsprecher, bei dem die Stimme mal natürlich klingt und mal nicht, die Instrumente mal falsch und mal richtig abgebildet werden.
Es ist vielmehr so, wie einmal draußen vor dem Saloon zu stehen und einmal drin zu sein.
David Munyon, „Leaving Moscow in a stolen Car“ vom Album „Clark“
Auch hier beschleicht mich wieder das Gefühl, einfach in den Aufnahmeraum hinein gegangen zu sein. Und es ist auch wieder nicht so, dass die Gitarre einen anderen Klang angenommen hätte. Davids Stimme bleibt ebenfalls identisch zur ersten Präsentation. Irgendwie hat sich eigentlich überhaupt gar nichts verändert. Ich bin einfach nur in den Aufnahmeraum hinein gegangen.
Jilette Johnson, „In Repair“ vom Album „All I ever see in you is me“
Sprach ich bei der passiven Extreme III von Gänsehaut? Wirklich? Mh.
Und wie nennt man dann die Steigerung von Gänsehaut?
Ich weiß es auch nicht. Mit der passiven Extreme III habe ich Jelette zugehört, mit der aktiven Extreme III kann ich sie beobachten. Seltsam – äußerst seltsam.
Kari Bremnes, Byssan Lyll vom Album Go Gatt Vol.1
Nichts kommt dazu – nichts geht verloren. Nichts wird wirklich anders.
Wieder ist man „einfach nur dabei“. Mit Kari Bremnes gemeinsam auf dem Schrottplatz. 🙂
Muss man einfach erlebt haben.
Fazit Hörtest Progressive Audio Extreme III – aktiv
Zweifelsohne ist dies die Zwillingsschwester der passiven Extreme III. Und definitiv sind es eineiige Zwillinge, die man kaum auseinander halten kann.
Und doch dürfte wohl tatsächlich niemand ein Problem damit haben, zu erkennen, welche der beiden Versionen gerade musiziert, wenn er sie erst einmal beide gehört hat.
Wer in einem passiven System festhängt, weil er einen hervorragenden Verstärker besitzt, der muss nicht mit seinem Schicksal hadern. Doch wer in seiner Entscheidung noch frei ist und gerade einen neuen Lautsprecher sucht, der sollte sich unbedingt beide Versionen anhören, denn es könnte sein, dass er kurz vor einem Systemwechsel steht.
Ich jedenfalls bin froh und glücklich, diese beiden Ausnahmelautsprecher in meinem Studio vorführen zu können und lade Sie gerne zu einem persönlichen Hörvergleich ein.