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Laissez-faire

Laissez-faire

… ein Versuch, der Ursache auf den Grund zu kommen, warum man als HiFi-Freak offenbar nicht tun und lassen kann, was man will.

Ich bin einmal durch Zufall an einem Sonntagmorgen zu einem Treffen von Motorradfahrern dazugekommen. Nach einer Weile fiel mir auf, dass die Typen, die durch ihr Äußeres durchaus Angst und Schrecken verbreiten konnten, tatsächlich nette und umgängliche Menschen waren und dass sie sich offen und neugierig den anderen Fahrern und deren Maschinen näherten, um mehr über sie zu erfahren. Wo ist denn der Auspuff her … und so weiter.

Ich schaute mir das Treiben dieser Motorradfahrer genau an und empfand die Differenz zwischen der gelebten Toleranz/Akzeptanz und dem äußeren Erscheinungsbild als sehr extrem.

Ich habe keine Ahnung, ob das immer so ist, oder ob ich da in ein „Treffen zum Muttertag“ geraten bin, aber es hat mir gut gefallen und es wollte mir nicht gelingen, eine Parallele zur High-Fidelity aufzubauen.

Trifft ein Röhren-Freak auf einen Transistorbesitzer, sind am Ende des Gesprächs beide doof. „… kann man nicht mit reden!“

Spätestens bei der Frage, ob ich mit Kabel den Klang beeinflussen kann, werden die Messer gewetzt und das Schlachtfeld wird vorbereitet.

Toleranz? Akzeptanz? Neugier? Offenheit?

Fehlanzeige!

Nach langem Grübeln und einigen Gesprächen mit befreundeten Motorradfahrern glaube ich heute, die Ursache dafür zu kennen:

Es ist das Geld!

Auf diesem Motorradtreffen, das ich erlebt habe, „war man unter sich“.
Was bedeutet: Da waren alle Maschinen „ungefähr gleich teuer“.  Also je nach Alter so zwischen 2.000,- und 8.000,- Euro.

Und man erklärte mir, dass ein Besitzer eines Motorrades für 30.000,- Euro es nicht wagen würde, sich auf solch einem Treffen mit seiner Maschine blicken zu lassen.

Auch diese Aussage entzieht sich meiner Nachprüfbarkeit, aber sie könnte durchaus ein geeigneter Denkansatz sein.

Bringt man zwei Menschen zusammen, bei dem A) kein Interesse daran hat, sich eine Stereoanlage zuzulegen und B) sich gerade eine solche für 3.000,- Euro gekauft hat, hält A) den B) für wahnsinnig.

Trifft B) auf C), der sich gerade für 3.000,- Euro ein Lautsprecherkabel gekauft hat, hält B) den C) für wahnsinnig.

Kabel-Klang-Code endlich geknackt!

Stellen wir uns vor, ein Wissenschaftler hätte den Kabel-Klang-Code geknackt und durch die nun endlich vorliegende Formel könnte man die besten HiFi-Kabel herstellen, die es jemals gegeben hat und das zu einem lächerlichen Preis von wenigen Euro pro lfd. Meter.

Ein schlechtes Kabel würde also genau das gleiche kosten wie ein richtig gutes.

Gäbe es dann immer noch jemanden, der diese Tatsache verleugnen würde und nicht bereit wäre, sich die „Kabel anzuhören“?

Wenn der beste CD-Player der Welt 200,- Euro kostet, wird dann immer noch bestritten, dass CD-Player überhaupt verschieden klingen können?

Ich habe keine Glaskugel und kann diese Fragen nicht beantworten, aber ich bin mir schon ziemlich sicher, dass sich in der High-Fidelity eine Menge ändern würde.

Wenn sich jemand darüber aufregen kann, ja völlig aus dem Häuschen ist, nur weil er hört, dass ein anderer 1.000,- Euro für ein Cinch-Kabel ausgegeben hat, dann ärgert er sich doch nicht darüber, dass der andere nicht das gleiche Kabel benutzt wie er selbst, sondern er ärgert sich darüber, dass der „so blöd“ ist, sich überhaupt ein Kabel zu solch einem Preis andrehen zu lassen.

Wenn ihm der Käufer dann aber sagt, dass er seit Monaten alle möglichen Kabel verglichen hat und dieses hier so unglaublich gut sei, dass er auch das Doppelte dafür bezahlt hätte, dann ist der Bogen schnell überspannt.

Je länger ich über diese Theorie nachdenke, desto wahrscheinlicher erscheint sie mir.
Der Grund für die an vielen Stellen fehlende Toleranz ist einzig und allein das Geld.

Und große Summen für HiFi-Komponenten zu bezahlen ist offensichtlich zurzeit nicht „Mainstream“.

Die schickeren ALU-Felgen dürfen 4.000,- Euro Aufpreis kosten, der Urlaub nach Fernost jährlich 8.000,- Euro verschlingen … aber HiFi ist out!

Ist das so?

Au man – dann bin ich total out!

… und kann da wunderbar mit leben.

Nun gut, ich mag das hierzu nötige Selbstvertrauen mittlerweile aufgebaut haben. Aber was ist mit all denjenigen, die gerade Spaß am Thema HiFi gefunden haben und sich durch die unterschiedlichen Aussagen völlig verunsichert fühlen?
Ihnen möchte ich den folgenden Rat geben:

Gehen Sie Ihren eigenen Weg!

Es wird Ihnen nicht gelingen, etwas zu kaufen, von dem nicht spätestens der dritte Gesprächspartner behaupten wird, dass Sie sich falsch entschieden haben.

Hören Sie nicht auf Argumente – hören Sie auf die Ergebnisse!

Sie können das!

Wenn die Farben an Ihrem Fernseher falsch eingestellt sind, dann sehen Sie das! Wenn eine Anlage falsch klingt, dann hören Sie das!

Sie können das!

Und wenn Sie sich dann für etwas entschieden haben, dann stehen Sie auch dazu! Sie haben das dann nämlich nicht gekauft, weil irgendwer Ihnen was darüber erzählt hat, weil irgendwer etwas geschrieben hat …

Sie haben es gekauft, weil es Ihnen am besten gefallen hat.

Sie lassen sich doch am Buffet auch nicht von anderen vorschreiben, was Sie essen müssen. Was nutzt es Ihnen zu hören, dass die Gambas ein Traum sind, wenn Ihnen das Wasser beim Anblick der Frikadellen im Mund zusammenläuft? Oder umgekehrt.

Wenn Sie gefragt werden, wieso Sie ausgerechnet diese Komponenten gekauft haben, dann ist es nicht gut, auf eine Zeitschrift mit Testergebnissen zu verweisen oder nur die Adresse Eures HiFi-Händlers nennen zu können.

Wenn Sie aber auf die klanglichen Eigenschaften der Komponenten hinweisen können, dann wird Ihr Gegenüber dem nichts entgegen zu setzen haben.

Und wenn Sie noch nicht so weit sind?

Dann üben Sie sich in Geduld!

Wenn Sie den Unterschied zwischen verschiedenen Lautsprechern, Verstärkern, CD-Playern und ja auch Kabeln – noch nicht selber hören können, dann ist der Zeitpunkt für einen Kauf noch nicht gekommen.

Und die Gefahr, sich etwas falsches zu kaufen, weil man doch wieder nur auf andere gehört hat, ist einfach zu groß.

Hören, hören, hören!

Wenn Ihnen dann die analytische Kette am besten gefällt – na prima!
Wenn Ihnen die Anlage mit dem vollen und warmen Klangbild am besten gefällt – auch gut!

Wenn Sie sich für „richtig viel Geld Ihre letzte Anlage in Ihrem Leben“ kaufen wollen, dann tun Sie das! Es ist Ihr Leben! Und Ihr Geld!
Wenn Sie nur ein sehr beschränktes Budget zur Verfügung haben, dann gleichen Sie das durch Kompetenz aus – auch das funktioniert!

Laissez-faire

Machen Sie, was Sie machen wollen und lassen Sie andere machen, was die machen wollen.

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